21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 14032

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Oberlandesgericht Bremen Beschluss16.03.2012

Todesangst der Ermordeten rechtfertigt überdurch­schnittlich hohes Schmerzensgeld für die ErbenAusgleichs­funktion des Schmer­zens­geldes tritt hinter Genug­tu­ungs­funktion

Dauerte der Todeskampf des Opfers eines Gewalt­ver­brechens eine halbe Stunde lang und ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass es gewaltige Schmerzen und Ängste dabei ausgestanden haben muss, steht den Hinterbliebenen ein erhebliches Schmerzensgeld zu (hier: 50.000 €). Dabei kommt es für die Bemessung des Betrages nicht darauf an, ob der Täter bereits strafrechtlich verurteilt wurde oder er mittelos ist. Dies hat das Oberlan­des­gericht Bremen entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall schlug der Täter das Opfer zunächst und würgte es dann mindestens fünf Minuten lang. Danach fügte der Täter dem Opfer mittels eines Gegenstandes schwere After­ver­let­zungen zu, die zu einem Riss des Schließmuskels führten. Das Opfer war laut medizinischen Gutachten für einen nennenswerten Zeitraum bei vollem Bewusstsein. Der Täter wurde wegen Mordes und gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt. Der Täter weigerte sich der Mutter und Alleinerbin des Opfers ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

Hohes Schmerzensgeld aufgrund Todesangst

Das Oberlan­des­gericht Bremen entschied, dass bei einer vorsätzlich begangen Körper­ver­letzung, die zum Tode des Opfers führte, im Einzelfall ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € auch dann angemessen sei, wenn das Opfer die Verlet­zungs­hand­lungen lediglich für einen kurzen Zeitraum überlebt, aber die ihr zugefügten schweren Verletzungen und Schmerzen bewusst in Todesangst wahrnimmt. Das Opfer musste angesichts der Brutalität des Täters davon ausgehen, dass er sie auf jeden Fall töten werde. Daraus folgt für das Gericht, dass sie in den letzten Minuten ihres Lebens nicht nur körperliche und seelische Schmerzen hatte, sondern auch schwerste Todesängste erlitt. In diesem Fall tritt die Ausgleichs­funktion des Schmer­zens­geldes hinter dessen Genug­tu­ungs­funktion zurück.

Zu beachten ist weiterhin, dass die Afterverletzung im Falle des Überlebens erhebliche Folgen für das Leben des Opfers gehabt hätte. Neben der körperlichen Erniedrigung tritt noch die seelische, da das Eindringen in den After des Opfers mittels eines Gegenstandes einer Vergewaltigung gleich komme.

Mittellosigkeit und strafrechtliche Verurteilung für Bemessung unerheblich

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Bemessung des Schmer­zens­geldes nicht darauf an, ob der Täter strafrechtlich verurteilt wurde. Das Schmerzensgeld stellt keine Privatstrafe dar, sondern einen Schadens­aus­gleich für erlittene immaterielle Schäden. Die Höhe kann daher nur am immateriellen Schaden ausgerichtet werden (BGH Urt. v. 29.11.1994 - VI ZR 93/94).

Außerdem darf eine fehlende Leistungs­fä­higkeit nicht dazu führen, dass den Hinterbliebenen ein "symbolischer Schmerzensgeld" zuerkannt wird. Insbesondere bei Vorsatztaten kommt der wirtschaft­lichen Leistungs­fä­higkeit des Täters bei der Bemessung des Schmer­zens­geldes keine erhebliche Bedeutung zu.

Quelle: Oberlandesgericht Bremen, ra-online (vt/rb)

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