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Oberlandesgericht Braunschweig Urteil19.04.2017
Kurze Freiheitsstrafe schließt Unterbringung in Entziehungsanstalt nicht ausGrundsatzentscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig markiert gerichtliche Prüfungspflicht bei Verhängung kurzer Freiheitsstrafen
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat entschieden, dass die Verhängung einer nur kurzen Freiheitsstrafe grundsätzlich nicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt entgegensteht. Das Gericht markiert hiermit zugleich eine anlassbezogene gerichtliche Prüfungspflicht zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt selbst in solchen Fällen, in denen Angeklagte, denen in einem Strafverfahren nur kurze Freiheitsstrafen drohen, die Unterbringung ablehnen.
Im entschiedenen Fall wurde eine drogenabhängige Angeklagte zuvor mit Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer kurzen Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wobei der Wert der erlangten Beute jeweils zwischen 30 Euro und 90 Euro betrug. Die von der Angeklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landgerichts Braunschweig verworfen. Auf die Revision der Angeklagten hat das Oberlandesgericht Braunschweig nun die Berufungsentscheidung im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Anordnung einer freiheitsentziehenden Therapie auch bei längerer Dauer als verhängter Freiheitsstrafe zulässig
Das Oberlandesgericht führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass bei ersichtlicher Drogenabhängigkeit eines Angeklagten auch dann nicht vom Gericht die Unterbringung eines Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ausgeklammert werden dürfe, wenn die voraussichtliche Dauer der freiheitsentziehenden Therapie eine zugleich verhängte Freiheitsstrafe deutlich überschreiten würde.
In gleichgelagerten Fällen obliege den Gerichten deshalb prinzipiell auch eine umfassende Prüfungspflicht zur Klärung der hierfür notwendigen Voraussetzungen.
Hintergrund:
Gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB) soll das Gericht insbesondere die Unterbringung zur Therapie in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass die Person infolge ihres Hanges, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung einer solchen freiheitsentziehenden Unterbringung ergeht nur, wenn die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, dass die Person innerhalb einer Behandlungsdauer von maximal zwei Jahren geheilt oder zumindest über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall bewahrt und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abgehalten werden kann.
Die Anordnung der Unterbringung zur Therapie in einer Entziehungsanstalt muss dabei gemäß § 62 StGB stets verhältnismäßig zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr sein. Zur Abklärung der mit der Anordnung einer Unterbringung zusammenhängenden medizinischen Fragen muss sich das Gericht sachverständiger Hilfe bedienen (§ 246 a Strafprozessordnung).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.04.2017
Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig/ra-online
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