21.11.2024
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Oberlandesgericht Braunschweig Urteil19.04.2017

Kurze Freiheitsstrafe schließt Unterbringung in Entzie­hungs­anstalt nicht ausGrund­satz­entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Braunschweig markiert gerichtliche Prüfungspflicht bei Verhängung kurzer Freiheits­s­trafen

Das Oberlan­des­gericht Braunschweig hat entschieden, dass die Verhängung einer nur kurzen Freiheitsstrafe grundsätzlich nicht der Unterbringung in einer Entzie­hungs­anstalt entgegensteht. Das Gericht markiert hiermit zugleich eine anlassbezogene gerichtliche Prüfungspflicht zur Unterbringung in einer Entzie­hungs­anstalt selbst in solchen Fällen, in denen Angeklagte, denen in einem Strafverfahren nur kurze Freiheits­s­trafen drohen, die Unterbringung ablehnen.

Im entschiedenen Fall wurde eine drogenabhängige Angeklagte zuvor mit Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer kurzen Gesamt­frei­heits­strafe von sechs Monaten verurteilt, wobei der Wert der erlangten Beute jeweils zwischen 30 Euro und 90 Euro betrug. Die von der Angeklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landgerichts Braunschweig verworfen. Auf die Revision der Angeklagten hat das Oberlan­des­gericht Braunschweig nun die Berufungs­ent­scheidung im Rechts­fol­ge­n­aus­spruch aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Anordnung einer freiheits­ent­zie­henden Therapie auch bei längerer Dauer als verhängter Freiheitsstrafe zulässig

Das Oberlan­des­gericht führte in seiner Urteils­be­gründung aus, dass bei ersichtlicher Droge­n­ab­hän­gigkeit eines Angeklagten auch dann nicht vom Gericht die Unterbringung eines Angeklagten in einer Entzie­hungs­anstalt ausgeklammert werden dürfe, wenn die voraus­sichtliche Dauer der freiheits­ent­zie­henden Therapie eine zugleich verhängte Freiheitsstrafe deutlich überschreiten würde.

In gleich­ge­la­gerten Fällen obliege den Gerichten deshalb prinzipiell auch eine umfassende Prüfungspflicht zur Klärung der hierfür notwendigen Voraussetzungen.

Hintergrund:

Gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB) soll das Gericht insbesondere die Unterbringung zur Therapie in einer Entzie­hungs­anstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass die Person infolge ihres Hanges, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung einer solchen freiheits­ent­zie­henden Unterbringung ergeht nur, wenn die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, dass die Person innerhalb einer Behand­lungsdauer von maximal zwei Jahren geheilt oder zumindest über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall bewahrt und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abgehalten werden kann.

Die Anordnung der Unterbringung zur Therapie in einer Entzie­hungs­anstalt muss dabei gemäß § 62 StGB stets verhältnismäßig zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr sein. Zur Abklärung der mit der Anordnung einer Unterbringung zusam­men­hän­genden medizinischen Fragen muss sich das Gericht sachver­ständiger Hilfe bedienen (§ 246 a Straf­pro­zess­ordnung).

Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig/ra-online

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