18.10.2024
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Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Beschluss28.05.2016

Amerikanischer Staatsbürger hat nach sechsmonatigem Aufenthalt in Deutschland vorläufig Anspruch auf SozialhilfeSozia­l­hil­fe­träger muss zur Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe erbringen

Das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz hat einem in Deutschland lebenden bedürftigen Ausländer nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt zugesprochen.

Der 1990 geborene Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens ist U.S.-amerikanischer Staatsbürger und war zunächst als Truppen­an­ge­höriger der US-Streitkräfte in Deutschland stationiert. Er zog nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst zu seiner deutschen Freundin. Über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufent­halt­s­er­laubnis hatte die Auslän­der­behörde bis zur Entscheidung des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht entschieden, sie hatte ihn jedoch bereits zur beabsichtigten Ablehnung angehört. Da der Antragsteller und seine Partnerin nur geringfügige Beschäftigungen ausüben, die nicht zur Deckung ihres Lebens­un­terhalts ausreichen, beantragten sie bei dem zuständigen Jobcenter die Bewilligung von Grund­si­che­rungs­leis­tungen. Diese wurden für den Antragsteller abgelehnt, da er von Grund­si­che­rungs­leis­tungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei.

Sozia­l­hil­fe­träger lehnt Zahlungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt ab

Der im Anschluss beim Sozialgericht Mainz gestellte Eilantrag des Antragstellers hatte insoweit keinen Erfolg. Das Sozialgericht bestätigte die Auffassung des Jobcenters, dass der Antragsteller kein Arbeits­lo­sengeld II erhalten könne. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, der Leistungen für Ausländer die ihr Aufent­haltsrecht allein aus der Arbeitsuche ableiten ausschließt, gelte erst recht für ihn, der kein Aufent­haltsrecht habe. Allerdings lud das Sozialgericht aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts (BSG) den Sozia­l­hil­fe­träger bei und verpflichtete ihn, über Hilfe zum Lebensunterhalt für den Antragsteller zu entscheiden. Der Sozia­l­hil­fe­träger lehnte jedoch während des anschließenden Beschwer­de­ver­fahrens die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB XII) ab.

Von Grund­si­che­rungs­leis­tungen ausgeschlossene Ausländer haben zumindest Anspruch auf Sozia­l­hil­fe­leis­tungen im Ermessenswege

Das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz zwar insofern, als der Antragsteller keinen Anspruch auf vorläufige Verpflichtung des Jobcenters zur Gewährung von Grund­si­che­rungs­leis­tungen nach dem SGB II hat. Er hat aber unter Berück­sich­tigung der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts den beigeladenen Träger der Sozialhilfe vorläufig - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII verpflichtet. Die für das Recht der Grundsicherung zuständigen Senate des Bundes­so­zi­al­ge­richts gehen übereinstimmend davon aus, dass einem Ausländer, der von Grund­si­che­rungs­leis­tungen ausgeschlossen ist, zumindest Sozia­l­hil­fe­leis­tungen im Ermessenswege zu erbringen sind. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über sechs Monate - soll dieses Ermessen aus Gründen der Systematik des Sozia­l­hil­fe­rechts und der verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums in der Weise reduziert sein, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist (Grund­sat­z­ent­scheidung vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R). Dem sind verschiedene Sozial- und Landes­so­zi­al­ge­richte entge­gen­ge­treten, u.a auch der 3. Senat des LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 11.02.2016 - L 6 AS 668/15 B ER).

Sozia­l­hil­fe­träger ist vorläufig zur Gewährung der Hilfe verpflichtet

Der 6. Senat des Landes­so­zi­al­ge­richts ließ in seiner Entscheidung offen, welcher Auffassung er sich insoweit anschließt. Zumindest in einem Eilverfahren könne es hierauf nicht ankommen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streit­ge­genstand habe dann zu erfolgen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, so das Gericht. Dabei könne es jedoch nicht darauf ankommen, wie das angerufene Gericht selbst die Erfolgs­aus­sichten in der Hauptsache einschätzt. An einem Recht, das geschützt werden müsse, fehle es lediglich dann, wenn der Antrag offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet sei. Davon könne hier angesichts der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts jedoch nicht ausgegangen werden. Da es sich um existenz­si­chernde Leistungen handele, sei der Sozia­l­hil­fe­träger vorläufig zur Gewährung der Hilfe zu verpflichten, entschied das Gericht.

Quelle: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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