18.10.2024
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Dokument-Nr. 25379

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil11.12.2017

Jobcenter muss Kosten für Schulbücher als Mehr­bedarfs­leistungen übernehmenSGB II muss verfas­sungs­konform ausgelegt werden

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass Kosten für Schulbücher als Mehr­bedarfs­leistungen vom Jobcenter zu übernehmen sind.

Im zugrunde liegenden Fall klagte eine Schülerin der gymnasialen Oberstufe, die im Bezug von Grund­si­che­rungs­leis­tungen nach dem SGB II ("Hartz IV") stand. Ihr waren Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern (135,65 Euro) - die von der Schule nicht im Rahmen der Lernmit­tel­freiheit leihweise zur Verfügung gestellten werden - und eines grafikfähigen Taschenrechners (76,94 Euro) entstanden. Diese Kosten begehrte sie vom Jobcenter als Zusatz­leis­tungen zum Regelbedarf. Das Jobcenter bewilligte mit dem sogenannten Schul­be­da­rfspaket insgesamt 100 Euro pro Schuljahr. Zur Begründung hieß es, dass die Norm des § 28 Abs. 3 SGB II als Pauschale ausgestaltet sei. Für eine konkrete Bedarfs­er­mittlung fehle eine Rechtsgrundlage.

Gesetzgeber muss gesamtes menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat die Schulbuchkosten als Mehrbe­da­rfs­leis­tungen in analoger Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt. Bücher würden nach der Geset­zes­be­gründung nicht von der Schul­be­da­rfs­pau­schale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst, sondern müssten grundsätzlich aus dem Regelbedarf bestritten werden. Da dieser jedoch nur Kosten für Bücher jeglicher Art von ca. 3 Euro/Monat vorsehe, seien hierdurch nur weniger als ein Drittel der notwendigen Schulbuchkosten gedeckt. Hierfür seien auch ansonsten im SGB II keine auskömmlichen Leistungen vorgesehen. Dies stelle eine planwidrige Regelungslücke dar, weil der Gesetzgeber das gesamte menschenwürdige Existenzminimum einschließlich der Kosten des Schulbesuchs sicherstellen müsse. Diese Lücke sei für Einmalbedarfe wie Schulbücher über eine verfas­sungs­konforme Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II zu schließen, auch wenn diese Norm ihrem Wortlaut nach nur laufende Bedarfe betrifft.

Kosten für Taschenrechner von Schul­be­da­rfs­pau­schale abgedeckt

Demgegenüber seien die Kosten für grafikfähige Taschenrechner von der Schul­be­da­rfs­pau­schale abgedeckt. Eine evidente Unterdeckung ergebe sich selbst nicht bei einer einmaligen Bedarfsspitze. Ein solcher Taschenrechner müsse nämlich nicht für jedes Schuljahr erneut angeschafft werden, sodass die Pauschalen insgesamt auskömmlich seien.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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