21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 32807

Drucken
Urteil30.03.2023Landessozialgericht Berlin-BrandenburgL 32 AS 1888/17
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil30.03.2023

Berliner Jobcenter muss volle Mietkosten anerkennenVergleich mit Sozialmieten erforderlich

Das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Mietkosten von den Jobcentern zu übernehmen sind, ein Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen zu erfolgen hat. Mietpreise, die für nach dem Recht des sozialen Wohnungsbaus geförderte Wohnungen gezahlt werden, könnten nicht als unangemessen angesehen werden.

Damit hat es der gegen das zuständige Berliner Jobcenter gerichteten Klage einer Empfängerin von Grundsicherungsleistungen ("Hartz IV", jetzt Bürgergeld) insoweit stattgegeben. Es ging um Zeiträume in den Jahren 2015/2016. Die allein lebende Frau verlangte die Übernahme der vollen Kosten für Miete und Heizung in Höhe von damals rund 640 Euro für ihre 90 m2 große Dreizim­mer­wohnung. Die Suche nach einer günstigeren Wohnung im angespannten Berliner Wohnungsmarkt sei aussichtslos gewesen. Das Jobcenter hatte insgesamt nur rund 480 Euro für angemessenen gehalten. Dabei bezog es sich auf die Ausfüh­rungs­vor­schriften der zuständigen Senats­ver­waltung für Integration, Arbeit und Soziales, die die Grenze der Angemessenheit aus den durch­schnitt­lichen Mietkosten ableitet, wie sie der Mietspiegel für Berlin für einfache Wohnlagen ausweist.

Angemessenheit falsch definiert

Das Landes­so­zi­al­gericht hält dieses Vorgehen für unzulässig. Die so berück­sich­tigten Wohnungen erfassten nur den durch­schnitt­lichen Fall der Angemessenheit, nicht aber deren "obere Grenze". Zwar könnten Empfänger von Leistungen der Jobcenter auf solche Wohnungen verwiesen werden, die lediglich einfache Bedürfnisse für eine sichere Unterkunft befriedigen. Wohnungen zum noch als angemessen angesehenen Mietpreis müssten jedoch auch tatsächlich für Leistungs­be­rechtigte zur Verfügung stehen. Dies sei nicht der Fall und ergebe sich auch aus einer statistischen Auswertung des Wohnraum­be­da­rfs­be­richts der Senats­ver­waltung aus dem Jahr 2019. Demnach habe es in Berlin 76.000 Haushalte (darunter 33.000 Einper­so­nen­haushalte) gegeben, die Leistungen der Grundsicherung bezogen hätten, deren Mietkosten jedoch über den von den Jobcentern herangezogenen Grenzwerten gelegen hätten. Zugleich weise der genannte Bericht eine massive Angebotslücke von 345.000 Wohnungen allein im Bereich der Wohnungen für Einper­so­nen­haushalte aus.

Wohnung war vorliegend noch als angemessen anzusehen

In einer solchen Situation könne das Gericht keinen Grenzwert bestimmen. Im vorliegenden Fall lasse sich bei einem Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen, die gerade für Grund­si­che­rungs­emp­fänger als angemessener Wohnraum bereitgestellt werden sollen, feststellen, dass die Wohnung der Frau noch angemessen gewesen sei. Die nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts (Urteil vom 30. Januar 2019, Az. B 14 AS 24/18 R) ggf. als Höchstgrenze heran­zu­zie­henden Werte (110 Prozent der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz) seien für Berliner Verhältnisse ungeeignet, weil danach selbst viele Sozialwohnungen als unangemessen teuer angesehen werden müssten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Landes­so­zi­al­gericht hat die Revision zum Bundes­so­zi­al­gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32807

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI