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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil09.11.2023
Angriff auf dem Weg zum Blutzuckermessgerät: Pflegeperson ist nicht unfallversichertPersönlich motivierter Angriff auf Betriebsweg stellt keinen Arbeitsunfall dar
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob eine (nicht erwerbsmäßig tätige) Pflegeperson unfallversichert ist, wenn sie beim Holen eines Blutzuckermessgeräts für den Pflegebedürftigen Opfer eines Angriffs wird. Im konkreten Fall hat das LSG die Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung verneint.
Der seinerzeit 28-jährige Kläger lebte zusammen mit seinem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Berlin. Der Lebensgefährte war pflegebedürftig (Pflegegrad 3), unter anderem aufgrund eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Der Kläger pflegte ihn. Im Mai 2018 gegen 01.15 Uhr verließ der Kläger die Wohnung. Im Hausflur wurde er nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung von zwei Jugendlichen angegriffen. Hierbei erlitt er eine Fraktur des Jochbeins und des Oberkiefers sowie ein Schädelhirntrauma. Die Jugendlichen stammten aus einer betreuten Wohngemeinschaft, die sich im selben Haus befand. Sie wurden vom Amtsgericht Tiergarten (Strafgericht) der gefährlichen Körperverletzung bzw. der Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Kläger wandte sich nach dem Vorfall an die Unfallkasse Berlin. Er gab an, er habe sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf dem Weg zum Auto befunden, um dort das Blutzuckermessgerät für seinen Lebensgefährten zu holen. Die Unfallkasse Berlin lehnte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin blieb ohne Erfolg.
Verwirklichtes Risiko nicht erfasst
Auf die daraufhin vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt. Er hat ausgeführt, dass das Ereignis keinen Arbeitsunfall darstelle. Der Kläger gehöre als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson zwar Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, die kraft Gesetzes unfallversichert seien. Auch sei der Gang des Klägers aus der Wohnung zum Auto als „Betriebsweg“ der pflegerischen Tätigkeit zuzurechnen. Die Angabe des Klägers, er habe die Wohnung verlassen, um das Blutzuckermessgerät für seinen Lebensgefährten zu holen, könne insoweit als wahr unterstellt werden. Gleichwohl sei die gesetzliche Unfallversicherung im vorliegenden Fall nicht einstandspflichtig, da sich mit dem Angriff auf den Kläger kein Risiko verwirklicht habe, gegen dessen Eintritt der hier einschlägige Unfallversicherungstatbestand schützen solle. Insoweit sei zu beachten, dass nicht jeder körperliche Angriff auf einem Betriebsweg unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung falle.
Zuvor bestehender persönlicher Konflikt als Ursache des Angriffs
Vielmehr sei der Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn der Angreifer aus persönlicher Feindschaft oder aufgrund von ähnlichen, aus privaten Beziehungen stammenden Beweggründen handle. So liege der Fall hier. Aus den polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ergebe sich, dass der Kläger seine Wohnung (auch) verlassen habe, um die Jugendlichen zur Rede zu stellen, nachdem ihm deren „merkwürdiges Verhalten am Fahrstuhl“ aufgefallen sei. Bereits zuvor sei es zu erheblichen Konflikten zwischen dem Kläger bzw. seinem Lebensgefährten und den in der Wohngemeinschaft betreuten. Der Kläger sei nicht Opfer der Körperverletzung geworden, weil er sich gerade auf dem Weg zum Auto (und damit zum Blutzuckermessgerät) befunden habe. Vielmehr sei wesentliche Ursache des Angriffs der vorbestehende persönliche Konflikt gewesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.11.2023
Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab)
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