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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil15.12.2011

Als Kind sexuell missbraucht – Frau steht Versorgung nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz zuErst Jahre später gestellter Antrag und Aussagen von Zeugen begründen keinen Zweifel an Glaubwürdigkeit

Einer psychisch schwer erkrankten Frau, die als Kind und Jugendliche sexuell von ihrem mittlerweile verstorbenen Vater missbraucht wurde, steht Versorgung nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz zu.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls wurde als Kind und Jugendliche von ihrem Vater missbraucht. Im Jahr 2006 stellte die Frau einen Antrag auf Opferentschädigung. Der Beklagte lehnte die Anerkennung mit der Begründung ab, dass der Antrag der Klägerin erst lange Jahre nach dem angeblichen Missbrauch gestellt worden und Zeugen für sexuelle Handlungen nicht vorhanden seien. Das Sozialgericht Freiburg gab der Klage der Frau statt. Der Beklagte legte daraufhin Berufung ein.

Vater gab Missbrauch gegenüber der Ehefrau bereits zu

Die Berufung blieb vor dem Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg jedoch erfolglos. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass es aufgrund der Einlassungen der Klägerin selbst und der als Zeuginnen gehörten Mutter und Schwester feststehe, dass die Klägerin zwischen 1965 und 1972 fortlaufend von ihrem Vater sexuell missbraucht worden ist. Die Klägerin habe regelmäßig im elterlichen Schlafzimmer „zum Mittagsschlaf“ zum Vater ins Bett und dort sexuelle Handlungen an ihm vornehmen müssen. Ebenso stehe fest, dass der Vater der Klägerin noch in ihrem 15. Lebensjahr beim Baden die Brüste eingeseift habe. Der Vater habe den Missbrauch auch gegenüber der Mutter zugegeben, als sie ihn einmal darauf angesprochen habe.

Gericht hat keinen Zweifel an Glaubwürdigkeit der Aussagen von Mutter und Schwester der Klägerin

Dass die Klägerin den Antrag auf Opferent­schä­digung erst im Jahr 2006 gestellt habe, obwohl sei bereits seit ihrem 19. Lebensjahr in ständiger psychiatrischer Behandlung stehe, lasse keine Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage zu. Die schwer traumatisierte Klägerin habe erst im Rahmen einer entsprechenden Therapie die insoweit bestehende Teil-Amnesie überwinden können, was das Geschehen im elterlichen Schlafzimmer anbelangt. Der Umstand, dass der Vater und die Klägerin im Bett von der als Zeugin vernommenen Schwester nur angezogen, wenn auch „eng verkeilt“ erblickt worden und dass das Waschen der Brüste während des Badevorgangs erfolgt sei, lasse entgegen der Auffassung des Beklagten einen sexuellen Missbrauch nicht entfallen. An der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Mutter und der Schwester der Klägerin bestünden keine Zweifel. Beide hätten zwar erst viele Jahre nach Beendigung des sexuellen Missbrauchs durch den Tod des Vaters diese Vorgänge bestätigt. Doch hätten beide glaubhaft bekundet, aus Scham über die Verhältnisse in der Familie und das eigene Versagen der Klägerin gegenüber geschwiegen zu haben. Erst jetzt sei es ihnen selbst möglich gewesen, über die Angelegenheit zu sprechen, auch, um das eigene Gewissen zu erleichtern. Eines Glaub­wür­dig­keits­gut­achtens bedurfte es deshalb nicht, es sei ureigene Aufgabe des Gerichts, die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen zu beurteilen, wenn - wie hier - keine besonderen Umstände vorliegen würden, die dem entgegenstünden.

Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Opferent­schä­di­gungs­gesetz

§ 1 Anspruch auf Versorgung

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes. [...]

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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