18.10.2024
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Dokument-Nr. 6212

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Hessisches Landessozialgericht Urteil28.05.2008

Entschädigung wegen sexuellen Missbrauchs im Internat auch nach 40 JahrenOpferent­schä­digung kann auch für Taten vor Inkrafttreten des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes beansprucht werden

Erleidet ein Opfer gesundheitliche Schäden aufgrund eines sexuellen Missbrauchs, so ist ihm eine Entschädigung nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz zu gewähren. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im konkreten Fall ist ein 1950 geborener Mann aus dem Werra-Meißner-Kreis Anfang der 60er Jahren in einem Internat im Landkreis Fulda von einem Heimerzieher sexuell missbraucht worden. Der Erzieher wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der geschädigte Mann, der später einen Suizidversuch unternahm und eine Alkohol- sowie Medika­men­te­n­ab­hän­gigkeit entwickelte, beantragte im Jahre 2003 Opferentschädigung. Das Landes­ver­sor­gungsamt Gießen lehnte diese jedoch mit der Begründung ab, die Gesund­heits­s­tö­rungen könnten nicht mehr auf die 40 Jahre zurückliegende Tat zurückgeführt werden. Bereits vor dem Missbrauch sei der Kläger durch das Elternhaus, durch die unmenschliche und entwürdigende Inter­nat­s­er­ziehung sowie durch Mitschüler massiv traumatisiert worden. Die Tat des Heimerziehers sei daher nur mit geringer Wahrschein­lichkeit für die späteren psychischen und sozialen Störungen verantwortlich.

Sozialgericht und Landes­so­zi­al­gericht geben Klage auf Opferent­schä­digung statt

Anders beurteilten dies die Richter beider Instanzen nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. Die aufgrund der schwerwiegenden Gesund­heits­schäden eingetretene Minderung der Erwer­bs­fä­higkeit von 70 % beruhe mit Wahrschein­lichkeit auf der Tat des Heimerziehers und sei entsprechend zu entschädigen. Die anderen negativen Ereignisse seien zwar Risikofaktoren dafür, Opfer eines Missbrauchs zu werden. Sie stellten jedoch keine außer­ge­wöhnliche Bedrohung dar.

Auch vor Inkrafttreten des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes geschädigte Personen haben Anspruch

Einer Entschädigung stehe auch nicht entgegen, dass die Tat vor dem Inkrafttreten des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes im Jahre 1976 begangen worden sei. Denn auch die vor diesem Zeitpunkt geschädigten Personen seien anspruchs­be­rechtigt, soweit sie infolge des tätlichen Angriffs schwer­be­schädigt sind und Bedürftigkeit vorliegt. Hiervon sei bei dem Kläger, der seit 2003 Sozia­l­hil­fe­leis­tungen bezieht, auszugehen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 20/08 des LSG Hessen vom 16.06.2008

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