18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil24.01.2017

Witwenrente muss nach nicht mitgeteilter Wiederheirat zurückgezahlt werdenAuch in Las Vegas geschlossene Ehe ist in Deutschland wirksam

Wer Witwer- oder Witwenrente bezieht, muss der Renten­ver­si­cherung eine Wiederheirat mitteilen, da der Rentenanspruch dann wegfällt. Wird dies grob fahrlässig unterlassen, kann auch rückwirkend ein Rückzahlungs­anspruch gegen den Versicherten geltend gemacht werden, hat das Landes­so­zi­al­gericht vor wenigen Tagen entschieden.

Die 76jährige Klägerin des zugrunde liegenden Rechtsstreits bezog von der beklagten Renten­ver­si­cherung nach dem Tode ihres (ersten) Ehemannes ab 1. April 1996 Witwenrente. Die Renten­ver­si­cherung hatte ihr 1996 schriftlich mitgeteilt:

Erläuterungen
"Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen."

Renten­ver­si­cherung verlangt Rückzahlung der ersten Witwenrente ab Zeitpunkt der Wiederheirat

Im Juni 2014 beantragte die Klägerin bei der Renten­ver­si­cherung erneut die Gewährung einer Witwenrente. Sie habe im April 2003 in Las Vegas geheiratet, ihr (zweiter) Ehemann sei im Mai 2014 verstorben. Die Renten­ver­si­cherung bewilligte ihr daraufhin zwar eine große Witwenrente in Höhe von monatlich rund 660 Euro, teilte aber gleichzeitig mit, dass wegen der Wiederheirat rückwirkend ab dem 1. Mai 2003 kein Anspruch mehr auf die (erste) Witwenrente bestanden habe. Von den erhaltenen Zahlungen müsse die Klägerin rund 71.000 Euro zurückzahlen.

Klägerin ging von Rechts­un­gül­tigkeit der Ehe in Deutschland aus

Die Klägerin hat sich gegen die Erstat­tungs­for­derung gewehrt. Sie habe eigentlich nicht noch einmal heiraten wollen. Ihr Lebensgefährte habe sie zu Weihnachten 2002 mit Flugtickets nach Las Vegas überrascht. Zwar habe man dort "spontan" in der "Candlelight Wedding Chaple" unter Vorlage der Ausweis­do­kumente die Daten für die Heiratslizenz aufnehmen und dann "in Country-Kleidung" eine Trauungs­ze­remonie in englischer Sprache durch einen Pastor mit Tausch der Eheringe in Anwesenheit eines Trauzeugen durchführen lassen und ein "Marriage Certificate" des Staates Nevada erhalten. Sie habe auch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes dabei gehabt. Man sei aber tatsächlich davon ausgegangen, dass die Ehe eine Art "Urlaubsspaß" und in Deutschland nicht rechtsgültig gewesen sei. In Deutschland sei man auch nie als Ehepaar aufgetreten. Erst nach dem Tode ihres (zweiten) "Ehemannes" sei sie vom Notar darauf hingewiesen worden, dass sie als Ehefrau Erbin sei. Man könne ihr die unterlassene Anzeige der zweiten Eheschließung nicht als grob fahrlässiges Verhalten vorwerfen.

SG gibt Klage statt

Das Sozialgericht Stuttgart hat der Klägerin in erster Instanz Recht gegeben. Zwar sei die 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland wirksam und die Klägerin habe ihre gesetzlich vorgeschriebene Mittei­lungs­pflicht verletzt. Allerdings habe sie dies nicht grob fahrlässig getan. Das Sozialgericht hat der Klägerin geglaubt, dass sie davon ausgegangen sei, die Eheschließung sei in Deutschland unwirksam.

LSG: Klägerin hätte sich über Auswirkungen der erneuten Eheschließung bewusst sein müssen

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg bewertete dies anders, hob das Urteil des Sozialgerichts auf und gab der Renten­ver­si­cherung Recht. Nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts hätte die Klägerin erkennen können, dass sie die Hochzeit in Las Vegas der Renten­ver­si­cherung hätte mitteilen müssen, weil sie wusste oder jedenfalls mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen hätte wissen müssen, dass die Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt. Die Trauungs­ze­remonie war ausweislich der Heiratsurkunde eine ernsthafte Eheschließung und in Deutschland wirksam. Dass die Heirats­ze­remonie in Las Vegas nicht ohne jede rechtliche Bedeutung war, hätte ihr ohne weiteres einleuchten müssen. Für die Heirat waren Gebühren zu entrichten und weitere Formalien zu erfüllen. So benötigte die Klägerin z.B. ihren Reisepass und musste Angaben zum Familienstand machen. Ferner führte sie nach eigenen Angaben sogar die Sterbeurkunde ihres verstorbenen ersten Ehemannes mit. Angesichts dieser Umstände war es für das Landes­so­zi­al­gericht nicht glaubhaft, dass die Heirat spontan und unvorbereitet ohne jegliche Überlegung zur Ernsthaftigkeit der Sache erfolgt sein soll.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) VI

§ 46 Abs. 1 SGB VI:

Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) X

§ 48 Abs. 1 Satz 1und 2 SGB X:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwal­tungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

2. der Betroffene einer durch Rechts­vor­schrift vorge­schriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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