21.11.2024
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Dokument-Nr. 26596

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.10.2018

Bei der Altersrente für Menschen mit Schwer­be­hin­derung können deutsche, französische und serbische Versi­che­rungs­zeiten kumulativ Berück­sich­tigung findenVerbot zur Heranziehung unter­schied­licher ausländischer Versi­che­rungs­zeiten bei Anwendung des Sozial­versicherungs­abkommens nicht ersichtlich

Für den Anspruch auf Altersrente für Menschen mit Schwer­be­hin­derung ist neben einer ausländischen Versi­che­rungszeit dann eine weitere, nach einem bilateralen Sozial­versicherungs­abkommen anrech­nungs­fähige Versi­che­rungszeit heranzuziehen, wenn das Abkommen keine Abwehrklausel enthält. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1940 noch im Königreich Jugoslawien geborene Klägerin ist seit 1978 deutsche Staats­an­ge­hörige. Sie war im serbischen Teil der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie in Frankreich und Deutschland renten­ver­si­che­rungs­pflichtig beschäftigt, ohne dass sich die Versi­che­rungs­zeiten überschnitten. Ab Ende März 1998 wurde sie als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannt. Im Oktober 1999 beantragte sie bei der für sie zuständigen Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung neben der Gewährung einer Altersrente für Menschen mit Schwer­be­hin­derung auch eine für Frauen, welche ihr mit Bescheid vom 30. März 2000 ab dem Folgemonat und unter Berück­sich­tigung ausschließlich deutscher Versi­che­rungs­zeiten bewilligt wurde. Mit Bescheid vom 2. Juli 2009 wurde die Altersrente für Frauen unter weiterer Berück­sich­tigung einer in Frankreich zurückgelegten Pflicht­bei­tragszeit rückwirkend ab Januar 2004 neu festgestellt.

Beklagte lehnt erneute Prüfung des Bescheids mangels erfüllter Wartezeiten ab

In einem landes­so­zi­al­ge­richt­lichen Verfahren, das sich aus einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer 2011 erfolgten Bescheidung über eine Rentenanpassung entwickelte, schlossen die Klägerin und die beklagte Trägerin der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, im Rahmen eines Zuguns­ten­ver­fahrens den Bescheid vom 30. März 2000 in der jeweiligen Fassung der nachfolgenden Verwal­tungs­ent­schei­dungen unter der Annahme einer Antragstellung im Juni 2011 zu überprüfen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Altersrente für Menschen mit Schwer­be­hin­derung setze unter anderem voraus, dass die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt sei. Diese ergebe sich im Falle der Klägerin weder aus den deutschen und französischen Versi­che­rungs­zeiten noch aus den deutschen und serbischen. Sozia­l­ver­si­che­rungs­ab­kommen regelten immer nur die Beziehung zwischen zwei Staaten. Eine Verknüpfung von oder mit mehreren Abkommen verstoße gegen das Verbot der multilateralen Vertrags­an­wendung. Das sozial­ge­richtliche Verfahren verlief für die Klägerin erfolglos.

LSG bejaht Leistungs­an­spruch

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab ihr demgegenüber in Bezug auf den Leistungs­an­spruch dem Grunde nach Recht. Die Berück­sich­tigung der französischen Versi­che­rungszeit bestimmt sich noch nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Der Anrechnung der im serbischen Teil der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zurückgelegten Versi­che­rungszeit, die sich aus dem Abkommen vom 12. Oktober 1968 zwischen Deutschland und dieser ergibt, welches im Verhältnis zu Serbien weiterhin Anwendung findet, steht der Ausschluss der multilateralen Zusam­men­rechnung von Versi­che­rungs­zeiten (Kumulie­rungs­verbot) nicht entgegen. Die nicht erwünschte Belastung eines Drittstaates durch ein weiteres Sozia­l­ver­si­che­rungs­ab­kommen tritt nicht ein, wenn nur die deutsche Sozia­l­leis­tungs­trägerin die Versi­che­rungs­zeiten kumulativ berücksichtigen muss. Eine Regelung, die ihr bei der Anwendung des Sozia­l­ver­si­che­rungs­ab­kommens die gleichzeitige Heranziehung eines anderen bilateralen Abkommens beziehungsweise einer anderen ausländischen Versi­che­rungszeit verbietet (Abwehrklausel), enthält das Abkommen vom 12. Oktober 1968 nicht.

§ 236 a Absatz 4 Sechstes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB VI)

Versicherte, die vor dem 17. November 1950 geboren sind und am 16. November 2000 schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozial­ge­setzbuch - SGB IX), berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht waren, haben Anspruch auf Altersrente für Menschen mit Schwer­be­hin­derung, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 1), bei Beginn der Altersrente (Nr. 2) als schwer­be­hinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 SGB IX) anerkannt (Buchst. a) oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind (Buchst. b) und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben (Nr. 3).

§ 51 Absatz 3 SGB VI

Auf die Wartezeit von 35 Jahren werden alle Kalendermonate mit renten­recht­lichen Zeiten angerechnet.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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