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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.10.2018
Bei der Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung können deutsche, französische und serbische Versicherungszeiten kumulativ Berücksichtigung findenVerbot zur Heranziehung unterschiedlicher ausländischer Versicherungszeiten bei Anwendung des Sozialversicherungsabkommens nicht ersichtlich
Für den Anspruch auf Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung ist neben einer ausländischen Versicherungszeit dann eine weitere, nach einem bilateralen Sozialversicherungsabkommen anrechnungsfähige Versicherungszeit heranzuziehen, wenn das Abkommen keine Abwehrklausel enthält. Dies entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1940 noch im Königreich Jugoslawien geborene Klägerin ist seit 1978 deutsche Staatsangehörige. Sie war im serbischen Teil der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie in Frankreich und Deutschland rentenversicherungspflichtig beschäftigt, ohne dass sich die Versicherungszeiten überschnitten. Ab Ende März 1998 wurde sie als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannt. Im Oktober 1999 beantragte sie bei der für sie zuständigen Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung neben der Gewährung einer Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung auch eine für Frauen, welche ihr mit Bescheid vom 30. März 2000 ab dem Folgemonat und unter Berücksichtigung ausschließlich deutscher Versicherungszeiten bewilligt wurde. Mit Bescheid vom 2. Juli 2009 wurde die Altersrente für Frauen unter weiterer Berücksichtigung einer in Frankreich zurückgelegten Pflichtbeitragszeit rückwirkend ab Januar 2004 neu festgestellt.
Beklagte lehnt erneute Prüfung des Bescheids mangels erfüllter Wartezeiten ab
In einem landessozialgerichtlichen Verfahren, das sich aus einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer 2011 erfolgten Bescheidung über eine Rentenanpassung entwickelte, schlossen die Klägerin und die beklagte Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens den Bescheid vom 30. März 2000 in der jeweiligen Fassung der nachfolgenden Verwaltungsentscheidungen unter der Annahme einer Antragstellung im Juni 2011 zu überprüfen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung setze unter anderem voraus, dass die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt sei. Diese ergebe sich im Falle der Klägerin weder aus den deutschen und französischen Versicherungszeiten noch aus den deutschen und serbischen. Sozialversicherungsabkommen regelten immer nur die Beziehung zwischen zwei Staaten. Eine Verknüpfung von oder mit mehreren Abkommen verstoße gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung. Das sozialgerichtliche Verfahren verlief für die Klägerin erfolglos.
LSG bejaht Leistungsanspruch
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg gab ihr demgegenüber in Bezug auf den Leistungsanspruch dem Grunde nach Recht. Die Berücksichtigung der französischen Versicherungszeit bestimmt sich noch nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Der Anrechnung der im serbischen Teil der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeit, die sich aus dem Abkommen vom 12. Oktober 1968 zwischen Deutschland und dieser ergibt, welches im Verhältnis zu Serbien weiterhin Anwendung findet, steht der Ausschluss der multilateralen Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (Kumulierungsverbot) nicht entgegen. Die nicht erwünschte Belastung eines Drittstaates durch ein weiteres Sozialversicherungsabkommen tritt nicht ein, wenn nur die deutsche Sozialleistungsträgerin die Versicherungszeiten kumulativ berücksichtigen muss. Eine Regelung, die ihr bei der Anwendung des Sozialversicherungsabkommens die gleichzeitige Heranziehung eines anderen bilateralen Abkommens beziehungsweise einer anderen ausländischen Versicherungszeit verbietet (Abwehrklausel), enthält das Abkommen vom 12. Oktober 1968 nicht.
§ 236 a Absatz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)
Versicherte, die vor dem 17. November 1950 geboren sind und am 16. November 2000 schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX), berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht waren, haben Anspruch auf Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 1), bei Beginn der Altersrente (Nr. 2) als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 SGB IX) anerkannt (Buchst. a) oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind (Buchst. b) und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben (Nr. 3).
§ 51 Absatz 3 SGB VI
Auf die Wartezeit von 35 Jahren werden alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten angerechnet.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.10.2018
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online
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