18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil15.11.2011

Zusatzbeitrag der Krankenkasse auch bei chronischer Krankheit zulässigVersicherter muss gegebenenfalls Sonder­kün­di­gungsrecht ausüben und Krankenkasse wechseln

Die Erhebung eines Zusatzbeitrags in Höhe von 8 Euro durch die Krankenkasse ist auch bei chronisch Kranken zulässig. Sofern bei einer Krankenkasse der Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus dem Gesund­heitsfonds nicht gedeckt ist, ist sie gesetzlich zur Festsetzung eines Zusatzbeitrags verpflichtet. Eine Härte­fa­ll­klausel muss sie dabei nicht vorsehen. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall wandte sich die im Raum Ulm wohnende Klägerin gegen den von ihrer Krankenkasse erhobenen Zusatzbeitrag von 8 Euro. Die argumentierte, dass sie chronisch krank und finanziell nicht in der Lage sei, diesen Zusatzbeitrag zu bezahlen. Die Krankenkasse hätte zumindest für Härtefälle wie sie eine Ausnahme von dem Zusatzbeitrag vorsehen müssen.

Zusatzbeitrag wurde in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben wirksam festgesetzt

Diese Auffassung teilten Sozial- und Landes­so­zi­al­gericht nicht. Die Krankenkasse habe durch Satzungs­be­schluss, der vom Bundes­ver­si­che­rungsamt genehmigt worden sei, in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben wirksam einen Zusatzbeitrag von 8 Euro festgesetzt. Dazu sei sie gesetzlich verpflichtet gewesen, weil ihr Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus dem Gesund­heitsfonds nicht gedeckt gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Unterdeckung nicht bestanden habe, seien nicht erkennbar gewesen.

Satzungsgeber war nicht verpflichtet Härte­fa­ll­klausel vorzusehen

Die Klägerin habe darüber hinaus das ihr wegen der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrags zustehende Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt, auf das sie rechtzeitig hingewiesen worden sei. Eine Härte­fa­ll­klausel habe der Satzungsgeber nicht vorsehen müssen. Soziale Härten würden bereits durch die Begrenzung des Zusatzbeitrags auf maximal 1 % der beitrags­pflichtigen Einnahmen bzw. durch die Festsetzung auf 8 Euro vermieden. Als weiterer Schutz­me­cha­nismus sei das Sonder­kün­di­gungsrecht vorgesehen, das der Klägerin ermöglicht hätte, zu einer Krankenkasse zu wechseln, die keine Zusatzbeiträge erhebt. Nicht zuletzt könne für bestimmte, wirtschaftlich schwächer gestellte Personenkreise, z.B. Leistungs­be­zieher nach „Hartz IV“ der Zusatzbeitrag auch durch den Leistungsträger übernommen werden.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

Erläuterungen

§ 242 Kassen­in­di­vi­dueller Zusatzbeitrag (in der vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 geltenden Fassung)

(1) Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird. Der Zusatzbeitrag ist auf 1 vom Hundert der beitrags­pflichtigen Einnahmen des Mitglieds begrenzt. Abweichend von Satz 2 erhebt die Krankenkasse den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds, wenn der monatliche Zusatzbeitrag den Betrag von 8 Euro nicht übersteigt. Von Mitgliedern, die das Sonder­kün­di­gungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrags fristgemäß ausgeübt haben, wird der Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird das Sonder­kün­di­gungsrecht wegen einer Erhöhung des Zusatzbeitrags ausgeübt, wird der erhöhte Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird die Kündigung nicht wirksam, wird der Zusatzbeitrag im vollen Umfang erhoben.

§ 175 Ausübung des Wahlrechts

(4) [...] Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitrags­er­hebung, der Beitrags­er­höhung oder der Prämi­en­ver­rin­gerung gekündigt werden. Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das Kündigungsrecht nach Satz 5 spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen. Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht nach Satz 6 gegenüber einem Mitglied verspätet nach, verschiebt sich für dieses Mitglied die Erhebung oder die Erhöhung des Zusatzbeitrags und die Frist für die Ausübung des Sonder­kün­di­gungs­rechts um den entsprechenden Zeitraum.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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