18.10.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil22.06.2011

SG Berlin: Zusatzbeiträge der City BKK unwirksamHinweis auf Kündigungsrecht bewusst im Kleingedruckten versteckt

Erhebt eine Krankenkasse – hier die City BKK – Zusatzbeiträge, muss sie ausreichend auf das Sonder­kün­di­gungsrecht der Mitglieder hinweisen. Ein im Kleingedruckten verstecktes Gesetzeszitat erfüllt die Hinweispflicht nicht. Bis zur Nachholung einer geset­zes­kon­formen Belehrung müssen Mitglieder keine Zusatzbeiträge zahlen. Die Krankenkasse muss bereits gezahlte Zusatzbeiträge erstatten. Dies entschied das Sozialgericht Berlin.

Im zugrunde liegenden Fall teilte die beklagte City BKK dem Kläger im März 2010 mit, dass ab April von allen Mitgliedern ein einkom­men­s­u­n­ab­hängiger Zusatzbeitrag von 8 Euro erhoben werde. Im Januar 2011 erhöhte sie den Beitrag auf 15 Euro. Auf der (vom Vorstand der Beklagten unterzeichneten) Vorderseite des Festset­zungs­be­scheides fand das Sonderkündigungsrecht keine Erwähnung. Auf der Rückseite befanden sich zwei Textblöcke. Der erste war überschrieben: „Gute Gründe für die City BKK“. Der zweite, deutlich kleiner gedruckte, trug die Überschrift: „Weitere allgemeine Hinweise“. Der sechste Unterpunkt war bezeichnet mit „Rechts­grundlagen (Auszüge)“. Er enthielt auch das wörtliche Zitat von § 175 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB V).

Kläger widerspricht Beitrags­er­höhung

Der Kläger widersprach der Erhebung von Zusatzbeiträgen und erhob Klage. Er habe 45 Jahre Beiträge geleistet, zahle auch als versicherter Rentner. Zu Beitrags­er­hö­hungen aufgrund der Misswirtschaft der Geschäfts­führung sei er jedoch nicht bereit.

Hinweis auf Sonder­kün­di­gungsrecht muss klar, vollständig, verständlich und eindeutig für Versicherten zu erkennen sein

Das Sozialgericht Berlin gab dem Kläger nach mündlicher Verhandlung Recht. Er sei zur Zahlung von Zusatzbeiträgen nicht verpflichtet. Die Erhebung oder Erhöhung eines Zusatzbeitrages werde erst wirksam, wenn die Hinweispflicht bezüglich des Sonder­kün­di­gungs­rechts erfüllt worden sei. Der Hinweis müsse klar, vollständig, verständlich und eindeutig sein. Er müsse durch seine Stellung im Text und die drucktechnische Gestaltung dem durch­schnitt­lichen Empfänger verdeutlichen, dass er den Zusatzbeitrag oder dessen Erhöhung durch einen Kassenwechsel vermeiden könne. Die bloße Wiedergabe des entsprechenden Geset­zes­wortlauts im Kleingedruckten erfülle die strengen Anforderungen an die Hinweispflicht nicht. Die Passage über das Kündigungsrecht sei an einer Stelle versteckt, an der ein durch­schnitt­licher Leser sie nicht erwarten würde.

Hinweis auf Sonder­kün­di­gungsrecht sollte offensichtlich bewusst der Aufmerksamkeit des Empfängers entzogen werden

Es handele sich hierbei nicht um ein zufälliges Missgeschick im Einzelfall. Die Kombination von textlich-inhaltlicher und druck­tech­nischer Gestaltung erwecke vielmehr den Eindruck, dass die Beklagte trotz Wiedergabe der relevanten Vorschrift die gesetzlich geforderte Information über das Sonder­kün­di­gungsrecht bewusst der Aufmerksamkeit des Empfängers entziehen wollte.

Zum rechtlichen Hintergrund:

Erläuterungen

Sonderkündigungsrecht

Sonderkündigungsrecht (§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V) lautet:'>

„Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitrags­er­hebung, der Beitrags­er­höhung oder der Prämi­en­ver­rin­gerung gekündigt werden.“

Die Hinweispflicht ergibt sich aus § 175 Abs. 4 Satz 6 und 7 SGB V:

„Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das Kündigungsrecht nach Satz 5 spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen. Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht nach Satz 6 gegenüber einem Mitglied verspätet nach, verschiebt sich für dieses Mitglied die Erhebung oder die Erhöhung des Zusatzbeitrages und die Frist für die Ausübung des Sonder­kün­di­gungs­rechts um den entsprechenden Zeitraum.“

Das Recht zur Erhebung eines Zusatzbeitrages ergibt sich aus § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V:

„Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisung aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein einkom­men­s­u­n­ab­hängiger Zusatzbeitrag erhoben wird.“

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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