18.10.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 12132

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Sozialgericht Berlin Urteil10.08.2011

SG Berlin: Zusatzbeiträge der DAK unwirksamKrankenkasse verletzt Hinweispflicht auf Sonder­kün­di­gungsrecht

Erhebt eine Krankenkasse Zusatzbeiträge, muss sie ausreichend auf das Sonder­kün­di­gungsrecht ihrer Mitglieder hinweisen. Ein im Kleingedruckten eines Infor­ma­ti­o­ns­schreibens unter der Überschrift „Rechts­grundlagen“ verstecktes Gesetzeszitat reicht als Hinweis auf das Sonder­kün­di­gungsrecht nicht aus. Bis zur Nachholung einer geset­zes­kon­formen Belehrung besteht keine Pflicht zur Zahlung von Zusatzbeiträgen. Dies entschied das Sozialgericht Berlin.

Die beklagte DAK teilte den Klägern im Februar 2010 mit, dass ab Februar von allen Mitgliedern ein einkom­men­s­u­n­ab­hängiger Zusatzbeitrag von monatlich 8 Euro erhoben werde. Dieses Schreiben endete auf der ersten Seite „Mit freundlichem Gruß“. Ein Sonderkündigungsrecht fand auf dieser Seite keine Erwähnung. Auf der Rückseite befanden sich zwei Textblöcke. Der erste war überschrieben: „Wir möchten Ihnen die Zahlung des Zusatzbeitrages so einfach und bequem wie möglich machen:“, der zweite: „Weitere allgemeine Hinweise“. Der zweite Textblock war in deutlich kleinerer Schrift als der Text der Vorderseite und des ersten Textblocks dargestellt. Als sechster Unterpunkt im zweiten Textblock erfolgten Ausführungen unter der Überschrift: „Rechts­grundlagen (Auszüge)“. Darin fand sich das wortwörtliche Zitat von § 175 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB V).

Kläger halten Zusatzbeiträge bei ordentlichem Haushalten der Krankenkassen für nicht erforderlich

Die Kläger legten gegen die Erhebung von Zusatzbeiträgen Widersprüche ein, die die Beklagte durch Wider­spruchs­be­scheide als unbegründet zurückwies. Daraufhin erhoben die Kläger im Dezember 2010 bzw. Januar 2011 Klage. Sie rügen in beiden Verfahren, dass andere Kassen die Zusatzbeiträge nicht erheben würden. Auch bei der Beklagten wären Zusatzbeiträge nicht erforderlich, wenn sie ordentlich haushalten würde.

Krankenkasse erklärt ausreichend über Sonder­kün­di­gungsrecht informiert zu haben

Die Beklagte hält die Hinweise zum Sonder­kün­di­gungsrecht auf der Rückseite des Schreibens von Februar 2010 für ausreichend. Man könne von ihr nicht verlangen, klarere Worte zu wählen, als der Gesetzgeber selbst. Sie habe außerdem in der Mitglie­der­zeit­schrift – Heft 2/2010 Seite 32 - und auf ihrer Internetseite umfassend über das Sonder­kün­di­gungsrecht informiert.

Hinweispflicht nicht ausreichend erfüllt

Das Sozialgericht Berlin gab den Klägern nach mündlicher Verhandlung teilweise Recht. Wie schon die City BKK erfülle auch die DAK ihre Hinweispflicht nicht (vgl. Sozialgericht Berlin, Urteil v. 22.06.2011 - S 73 KR 1635/10 -). Die Kläger seien somit zur Zahlung von Zusatzbeiträgen erst ab dem Zeitpunkt verpflichtet, in dem sie deutlich auf ihr Recht zur Kündigung der Versi­che­rungs­verträge hingewiesen worden seien. Ein solcher Hinweis sei erst in den am 24. November bzw. 13. Dezember 2010 erlassenen Wider­spruchs­be­scheiden enthalten gewesen. Es bestehe für die Kläger daher keine Pflicht zur Zahlung von Zusatzbeiträgen zwischen Februar und November bzw. Dezember 2010.

Hinweis auf Sonder­kün­di­gungsrecht wurde der Aufmerksamkeit der Empfänger bewusst entzogen

Das Infor­ma­ti­o­ns­schreiben vom Februar 2010 habe keine ausreichende Aufklärung enthalten. Vielmehr sei der Hinweis auf das Sonder­kün­di­gungsrecht unter der sachfremden Überschrift „Rechts­grundlagen“ im Kleingedruckten versteckt gewesen und damit bewusst der Aufmerksamkeit der Empfänger entzogen worden. Der Hinweis müsse jedoch klar, vollständig, verständlich und eindeutig sein. Er müsse durch seine Stellung im Text und die drucktechnische Gestaltung dem durch­schnitt­lichen Empfänger verdeutlichen, dass ihm ein Gestal­tungsrecht, nämlich die Möglichkeit zur Kündigung zustehe, er also den Zusatzbeitrag durch einen Kassenwechsel vermeiden könne. Auch der Beitrag in der Mitglie­der­zeit­schrift und die Angaben im Internet seien nicht ausreichend gewesen, um die Pflicht zur individuellen Information jedes Mitglieds zu erfüllen. Es gebe im Übrigen auch keinen Nachweis, ob die Kläger die Zeitschrift überhaupt tatsächlich erhalten hätten.

Die Vorschrift zum Sonder­kün­di­gungsrecht (§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V) lautet:

Erläuterungen
„Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitrags­er­hebung, der Beitrags­er­höhung oder der Prämi­en­ver­rin­gerung gekündigt werden.“

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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