18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss25.06.2019

Immuntherapie mit BG-Mun gehört nicht zum Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherungBG-Mun funktionelles Lebensmittel und kein arznei­mittel­ähnliches Medizinprodukt

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass neben der Frequenz­therapie nach Dr. Rife auch die Immuntherapie mit BG-Mun nicht zum Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung gehört. BG-Mun ist kein arznei­mittel­ähnliches Medizinprodukt, sondern ein funktionelles Lebensmittel ohne wissen­schaftlich belegte spürbar positive Entwicklung auf den Krank­heits­verlauf.

Beim 1971 geborenen Antragsteller wurde 2017 eine Amyotrophe Lateralsklerose diagnostiziert, die standardmäßig mit dem Arzneistoff Riluzol behandelt wird. Seit März 2019 ist der Pflegegrad 3 anerkannt. Im Dezember 2018 hatte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin, bei der er gesetzlich kranken­ver­sichert ist, eine Immuntherapie mit BG-Mun und eine Frequenz­therapie nach Dr. Rife beantragt. Der Medizinische Dienst der Kranken­ver­si­cherung Baden-Württemberg führte in seinem Gutachten aus, bei BG-Mun handele es sich um ein Lebensmittel, das nach der Arznei­mit­tel­richtlinie von der Versorgung ausgeschlossen sei. Die Frequenz­therapie sei eine komple­men­tär­me­di­zi­nische neue Untersuchungs- und Behand­lungs­methode, die nicht evidenzbasiert sei. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab.

BG-Mun ist nicht verord­nungsfähig

Sein Begehren verfolgte der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weiter. Das Sozialgericht Karlsruhe lehnte das Gesuch ab. Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg wies die Beschwerde zurück. BG-Mun sei laut Gericht kein arznei­mit­te­l­ähn­liches Medizinprodukt, sondern, wie vom Hersteller bezeichnet, ein funktionelles Lebensmittel. Es gehöre auch nicht als Bestandteil einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung zum Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte es bei dem Grundsatz bleiben, dass die Versorgung mit Lebensmitteln, Nahrungs­er­gän­zungs­mitteln, so genannter "Krankenkost" und anderen diätetischen Lebensmitteln nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung gehört, auch wenn therapeutische Effekte behauptet werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe die Voraussetzungen festgelegt, unter denen bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden könnten. Danach sei BG-Mun nicht verord­nungsfähig. Soweit der Antragsteller die Frequenz­therapie nach Dr. Rife begehre, handele es sich laut Gericht um einen neue Untersuchungs- und Behand­lungs­methode, die ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses nicht zum Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung gehöre. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung dieses Gremiums bedürfe. Dass die anderen Behand­lungs­me­thoden aus Sicht der Versicherten eventuell nicht optimal sein könnten, bleibe ohne Belang. Denn die gesetzlichen Krankenkassen seien von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wieder­her­stellung der Gesundheit überhaupt verfügbar sei.

Wissen­schaftliche Veröf­fent­li­chungen zu Erfolgs­aus­sichten durch BG-Mun nicht bekannt

Schließlich komme auch ein Leistungs­an­spruch auf Behandlung mit BG-Mun oder Frequenz­therapie nach Dr. Rife wegen einer lebens­be­droh­lichen Erkrankung nicht in Betracht. Es fehle an der Voraussetzung, dass durch die Behandlung eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Erfolg oder wenigstens spürbar positive Entwicklung auf den Krank­heits­verlauf erreicht werden könne. Zu BG-Mun gebe es keinerlei wissen­schaftliche Veröf­fent­li­chungen, die dies belegen könnten.

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB V)

Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothe­ken­pflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Bluttest­streifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizin­pro­duk­te­ge­setzes (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arznei­mit­tel­ver­sorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend.

Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können und veröffentlicht im Bundesanzeiger eine Zusam­men­stellung der verord­nungs­fähigen Produkte.

§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V

Neue Untersuchungs- und Behand­lungs­me­thoden dürfen in der vertrag­s­ärzt­lichen und vertrags­zahn­ärzt­lichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassen­ärzt­lichen Bundes­ver­ei­nigung, einer Kassen­ärzt­lichen Vereinigung oder des Spitzen­ver­bandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaft­lichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissen­schaft­lichen Erkenntnisse in der jeweiligen Thera­pie­richtung (Nr.1), die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Quali­täts­si­cherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern (Nr. 2), und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung (Nr. 3).

§ 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V

Versicherte mit einer lebens­be­droh­lichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krank­heits­verlauf besteht.

Quelle: Landessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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