21.11.2024
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Sozialgericht Detmold Urteil29.03.2006

SG Detmold verurteilt Krankenkasse zur Übernahme der Kosten für "Lorenzos Öl"Öl hat spürbar positiven Effekt auf den Krank­heits­verlauf und darf daher nicht aus dem Leistungs­katalog ausgenommen werden

Eine Krankenkasse muss die Kosten für das Spezialöl - bekannt unter dem Namen Lorenzos Öl - zu übernehmen. Das entschied das Sozialgericht auf die Klage einer 42-jährigen Frau, die unter einer seltenen genetisch bedingten Fettstoff­wech­sel­störung (Adren­o­le­u­ko­dystrophie – ALD) leidet. Als Folge der Erkrankung treten neurologische Schädigungen der Nerven und des Rückenmarks auf. Nach Ausbruch der Krankheit können die Patienten erblinden, werden taub und können nicht mehr laufen. Bei der Klägerin besteht eine Gangun­si­cherheit mit deutlicher Verschlech­terung seit Mitte 2002.

Das durch das Schicksal von Lorenzo Odone bekannt gewordene Öl, das von seinen Eltern Augusto und Michaela Odone entwickelt wurde, um damit die Krankheit ALD bei ihrem Sohn zu behandeln, ist - so das Gericht - als Arzneimittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Arznei und Lebensmittel sein. Die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel oder Lebensmittel orientiert sich an objektiven Merkmalen der überwiegenden Zweckbestimmung, wie diese sich für eine durch­schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verwender dieser Mittel darstellt und wie sie der pharma­zeu­tischen und medizinischen Wissenschaft entspricht. In diesem Sinne sind die in Lorenzos Öl enthaltenen ungesättigten Fettsäuren als Lebensmittel zu qualifizieren. Sie sind nämlich nicht dazu bestimmt, durch ihre Anwendung körperliche Funktionen zu beeinflussen. Die Arznei­mit­tel­richt­linien, in denen geregelt ist, in welchen Fällen lebens­mit­te­l­ähnliche oder diätetische Produkte von der Krankenkasse zur Behandlung bestimmter Erkrankungen zu finanzieren sind, eröffnen keine Möglichkeit, Lorenzos Öl als Arzneimittel zu qualifizieren.

Ein Leistungs­aus­schluss kann hiermit – so das Sozialgericht – jedoch nicht begründet werden. Die verfas­sungs­konforme Auslegung der einschlägigen Rechtsnorm gebietet es vielmehr, therapeutische Mittel, die nach gewissenhafter fachlicher Einschätzung des ärztlichen Anwenders einen wenigstens spürbar positiven Effekt auf den Krank­heits­verlauf haben, nicht aus dem Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung auszunehmen. Dies gilt unter Berück­sich­tigung eines Beschlusses des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 06.12.2005 wenn Versicherte, die an einer lebens­be­droh­lichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung leiden, bekannte Behand­lungs­me­thoden noch nicht vorliegen und Indizien gegeben sind, die für einen positiven Einfluss auf die Erkrankung sprechen. Die langjährige praktische Erfahrung des die Klägerin behandelnden Arztes mit ebenfalls an ALD erkrankten Patienten belegt – so das Gericht – seine Kompetenz, eine Aussage über den medizinischen Nutzen von Lorenzos Öl zu treffen. Insbesondere die Anwendung über mehr als 10 Jahre, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen aufgetreten sind, begründet die Wahrschein­lichkeit, dass die Behandlung mit dem Spezialöl die Krank­heits­pro­gression verzögert.

siehe auch

Hessisches Landes­so­zi­al­gericht verurteilt Krankenkasse zur Kostenübernahme für "Lorenzos Öl"

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Detmold vom 12.12.2006

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