15.11.2024
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Dokument-Nr. 16002

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Landgericht Stuttgart Urteil04.06.2013

Ex-Porsche-Finanzvorstand wegen Kreditbetrugs zu insgesamt 630.000 Euro Geldstrafe verurteiltAngaben bei Kredit­ver­hand­lungen für geplante VW-Übernahme unvollständig und unrichtig

Das Landgericht Stuttgart hat den ehemalige Finanzvorstand der Porsche Automobil Holding SE (im Folgenden: Porsche) und seinen Mitarbeiter wegen gemein­schaft­lichen Kreditbetrugs zu Geldstrafen in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 3.500 Euro sowie 90 Tagessätzen zu je 700 Euro verurteilt.

Im zugrunde liegenden Fall gelangte das Landgericht aufgrund der Erkenntnisse aus der 32 Verhand­lungstage umfassenden, kontrovers geführten Haupt­ver­handlung zu der Überzeugung, dass die Angeklagten bewusst unrichtige Angaben gegenüber einer Bank im Rahmen von Verhandlungen über einen im März 2009 abgeschlossenen Anschluss­kon­sor­ti­a­l­kredit machten, an dem diese Bank mit 500 Millionen Euro beteiligt war. Dabei gaben die Angeklagten den Netto-Kapitalbedarf, der sich bei der Ausübung der von Porsche gehaltenen Kaufoptionen auf VW-Stammaktien ergeben hätte, um etwa 1,4 Milliarden Euro zu niedrig an.

Zu überweisender Geldbedarf für Aufstockung der Anteile an VW-Stammaktien lag rund 1,4 Milliarden Euro höher

Im Mittelpunkt der Haupt­ver­handlung stand einerseits die unter­schiedliche Auffassung der Prozess­be­tei­ligten über verschiedene, inhaltlich wenig bestimmte Begriffe aus der Finanz- und Bankbranche, insbesondere den in den verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Unterlagen enthaltenen „net purchase price“. Nach der Überzeugung des Landgerichts seien ungeachtet des Sprachgebrauchs einzelner Wissenschaftler jedenfalls die vertrag­s­chlie­ßenden Angeklagten und Bankmitarbeiter übereinstimmend von derselben Bedeutung ausgegangen. Gemeint sei der in Zukunft noch an eine Bank für die Aufstockung der Anteile an VW-Stammaktien zu überweisende Geldbedarf nach Abzug der bereits überwiesenen Sicherheiten gewesen. Dieser habe tatsächlich um rund 1,4 Milliarden Euro höher gelegen, als seitens der Angeklagten angegeben wurde, was ihnen bewusst gewesen sei.

Unrichtige Angaben hatten Auswirkungen auf Kredit­ver­ga­be­ent­scheidung

Darüber hinaus stellte sich im Laufe des Verfahrens die Frage, auf welchen Entschei­dungs­träger innerhalb des Bankkonzerns abzustellen war und welche Rolle die vor den unrichtigen Angaben erfolgte stattgebende Kredit­ver­ga­be­ent­scheidung der Bankenzentrale in Paris spielte. Das Gericht gelangte diesbezüglich zu der Überzeugung, dass in der Pariser Zentrale zwar bereits eine allgemeine Grund­sat­z­ent­scheidung für die Vergabe des Kredits getroffen worden sei, diese jedoch nur einen von zwei Bausteinen darstelle. Die zweite erforderliche Zustimmung habe durch die Filiale in Frankfurt erteilt werden müssen, die insoweit eine eigene Zuständigkeit besessen und noch weitere Details zu klären gehabt habe. Diese noch offenen Details hätten unter anderem die Beurteilung der Frage umfasst, ob die von Porsche erhaltenen Angaben für die Kreditvergabe ausreichend waren oder ob die Zentrale in Paris erneut darüber hätte beraten müssen.

Richtige Darstellung des Netto-Kapitalbedarfs hätten andere Risikobewertung durch die Bank ergeben

Nach Überzeugung des Gerichts waren die unrichtigen Angaben der Angeklagten für die Kreditvergabe auch erheblich. Entsprechend den Regelungen des Kreditvertrags hätte sich im Fall der zutreffenden Darstellung des Netto-Kapitalbedarfs eine andere Risikobewertung durch die Bank ergeben, welche sich auch auf die Zinshöhe hätte auswirken können.

Generell ist für die Erfüllung des Tatbestands des Kreditbetrugs gemäß § 265 b Abs. 1 Nr. 1b StGB hingegen nicht erforderlich, dass sich die Bank bei ihrer Kreditvergabe im konkreten Fall tatsächlich auf die Richtigkeit der Angaben stützt, oder dass seitens der Bank ein Schaden eintritt. Die Strafvorschrift bezweckt den abstrakten Schutz des Kreditwesens vor einer Gefährdung durch unrichtige Angaben.

Gerichtliches Strafmaß bleibt noch hinter Antrag der Staats­an­walt­schaft zurück

Die Strafkammer blieb mit dem Strafmaß hinter dem Antrag der Staats­an­walt­schaft zurück, welche eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung nebst Zahlungsauflage von 1 Million Euro für den ehemaligen Finanzvorstand und 300 Tagessätze zu je 750 Euro für dessen Mitarbeiter beantragt hatte. Zu Gunsten der Angeklagten wertete die Kammer unter anderem, dass der Kredit im Rahmen dringlicher Entscheidungen zur Rettung von Porsche beitrug und der Kredit durch VW-Aktien ausreichend abgesichert war.

Quelle: Landgericht Stuttgart/ra-online

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