18.10.2024
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Landgericht München I Urteil20.08.2008

Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht - Anspruch auf SchmerzensgeldDiagnose "Störung der Geiste­s­tä­tigkeit" darf auch nicht an Ehegatten weitergegeben werden

Unterbringung für erforderlich hält, ist die Persönlichkeit des Betroffenen an ihrer Basis getroffen - und zwar ganz unabhängig davon, ob die Diagnose richtig oder falsch ist. Wird diese Diagnose dann unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (die auch gegenüber dem Ehegatten gilt!) dem engsten Familienkreis offenbart, handelt es sich um einen schweren Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht, das ein Schmerzensgeld von 5.000,- EUR rechtfertigt.

Wie wird man den Ehegatten los? In einem jetzt vom Landgericht München I entschiedenen Fall soll das nach folgendem Rezept versucht worden sein:

Man nehme Diazepam, ein Psychopharmakum, verabreiche es heimlich dem Gatten und veranlasse dann dessen psychiatrische Begutachtung. Zwischen­er­gebnis: Ein "Fachpsych­ia­trisches Attest auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (zur Vorlage bei der zuständigen Polizeibehörde)". Jetzt muss man den "Sack" nur noch zumachen - sprich: die Unterbringung in die Tat umsetzen; dafür sorgt man am besten höchstselbst. So soll es - klagte ein Münchner Teppichhändler vor dem Landgericht München I - ihm ergangen sein. Der Direktor einer psychiatrischen Klinik persönlich hatte auf Veranlassung der Gattin ein "maniformes Syndrom" beim Kläger diagnostiziert und ihn als selbst- und fremdgefährlich eingestuft. Dieses Attest hatte der Direktor allerdings weder dem Kläger selbst, noch der nach dem bayerischen Unter­brin­gungs­gesetz zu-ständigen Behörde zugeleitet, sondern der Ehefrau des Klägers. Ein Zufall spielte dem Kläger dann das Attest in die Hände, so dass er sich der drohenden Unterbringung entziehen konnte: Nachdem er seine Teppichgalerie geräumt hatte, floh er Hals über Kopf in die Schweiz.

Kläger: falsches Attest hat seinen Ruf zerstört

Das falsche Attest habe, klagte der Teppichhändler, durch das Stigma der Geistes­krankheit seinen Ruf zerstört und in der Folge seine Existenz vernichtet. Er verklagte daraufhin nicht seine Frau, sondern den Klinikdirektor sowie den Träger des Klinikums. Begründung: Das Attest sei mangels ausreichender Untersuchung durch den Beklagten nicht nur falsch gewesen; der Beklagte habe es auch nicht unmittelbar seiner Frau zukommen lassen dürfen. Aus Sicht der Beklagten war das Attest hingegen zutreffend. Es sei aber ohnehin folgenlos geblieben, da es nie zu einer Unterbringung gekommen sei. In keinem Fall - so die Beklagten - hafte man für die Aufgabe der Galerie und der Flucht in die Schweiz - die Folgen dieser inadäquaten Reaktion habe der Kläger selbst zu vertreten.

Erlittene Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung rechtfertig Schmerzensgeld in Höhe von € 5.000,00

Die 9. Zivilkammer erkannte dem Kläger für die erlittene Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung zwar ein Schmerzensgeld in Höhe von € 5.000,00 zu. Die weitergehende Klage auf Ersatz aller aufgrund des Attests erlittenen Schäden wies die Kammer indes ab.

Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht

Ob der Kläger seinerzeit tatsächlich psychisch krank war bzw. von seiner Frau entsprechend präpariert wurde, ließ die Kammer offen: Wird nämlich - so heißt es in dem Urteil - die Störung der Geiste­s­tä­tigkeit diagnostiziert und deshalb eine Unterbringung für erforderlich gehalten, ist die Persönlichkeit des Betroffenen an ihrer Basis getroffen - und zwar ganz unabhängig davon, ob die Diagnose richtig oder falsch ist. Wenn diese Diagnose dann wie geschehen unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (die auch gegenüber dem Ehegatten gilt!) dem engsten Familienkreis offenbart wird, handelt es sich um einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Der Kläger hatte nämlich in die Weitergabe des Unter­su­chungs­er­geb­nisses an Angehörige nicht eingewilligt. Das Gericht konnte nicht nachvollziehen, dass der Direktor einer psychiatrischen Klinik in diesem Fall nicht das im Bayerischen Unter­brin­gungs­gesetz vorgesehene Verfahren eingehalten hatte, sondern - "ganz unbürokratisch", wie es so schön heißt - einfach die Ehefrau informiert hatte. Die vom Kläger geltend gemachte Existenz­ver­nichtung wollte die Kammer indes nicht den Beklagten anlasten: Erst durch die Räumung der Teppichgalerie und die Flucht in die Schweiz - und damit durch das Verhalten des Klägers selbst - gelangte die Information über den diagnos­ti­zierten Geisteszustand des Klägers in die Geschäftswelt. Hierin sah die Kammer eine ungewöhnliche Reaktion auf das Attest. Der Kläger hätte gegen die drohende Unterbringung nämlich auch Rechtsschutz suchen können, zumal das Unter­brin­gungs­gesetz die richterliche Anordnung und Überprüfung einer solchen vorsieht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 50/08 des LG München I vom 21.08.2008

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