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Landgericht München I Urteil27.08.2020

Keine Haftung des Bahnbetreibers bei Sturz eines Fahrgastes aufgrund Lücke zwischen Bahnsteigkante und BahnAnscheinsbeweis spricht für Eigen­ver­schulden des Fahrgastes

Stürzt ein Fahrgast aufgrund der Lücke zwischen Bahnsteigkante und Bahn, so haftet dafür der Bahnbetreiber regelmäßig nicht. Zum einen spricht ein Anscheinsbeweis für ein Eigen­ver­schulden des Fahrgastes. Zudem liegt kein Verstoß gegen die Verkehrs­sicherungs­pflicht vor. Mit einem Spalt muss grundsätzlich gerechnet werden. Dies hat das Landgericht München I entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Abend im Januar 2017 wollte eine Frau auf dem Bahnhof Siemenswerke in München in die Bahn einsteigen. Dabei geriet sie in den Spalt zwischen Bahnsteigkante und Bahn und stürzte. Sie erlitt aufgrund des Sturzes eine Unter­schen­kel­fraktur. Die Frau gab an, wegen des Gedränges beim Einstieg in Richtung der Bahn geschoben worden und dabei aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Sie meinte zudem, dass unter dem Zustieg ein Gitter habe angebracht sein müssen, mit welchen neuere Schie­nen­fahrzeuge ausgestattet seien. Sie erhob daher Klage gegen die Betreiberin der Bahn auf Zahlung von Schadensersatz.

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Eigen­ver­schulden

Das Landgericht München I entschied gegen die Klägerin. Ihr stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Es liege ein ganz überwiegendes Eigenverschulden der Klägerin vor. Wenn ein Fahrgast beim Einstieg in ein Schie­nen­fahrzeug dieses verfehlt und in den Zwischenraum zwischen Bahnsteigkante und Eingangsbereich des Schie­nen­fahrzeugs tritt, spreche der Beweis des ersten Anscheins für seine mangelnde Aufmerksamkeit und damit sein Verschulden. Mit einem Spalt zwischen Bahnsteigkante und Tür müsse jeder Fahrgast rechnen und sich darauf einstellen.

Mögliches Gedränge erfordert höhere Aufmerksamkeit

Soweit die Klägerin vorträgt, ein Gedränge habe zu dem Sturz geführt, hielt das Landgericht dies für unbeachtlich. Ein Gedränge erfordere eine noch höhere Aufmerksamkeit. Die Klägerin hätte möglicherweise dem ausweichen und den anderen Personen den Vortritt lassen müssen.

Keine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht­ver­letzung

Der Beklagten sei nach Auffassung des Landgerichts auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen. Der Zwischenraum stelle keinen verkehrs­wi­drigen und daher siche­rungs­be­dürftigen Zustand dar. Die allgemeinen Sicher­heits­er­war­tungen des Verkehrs werden von der zutreffenden Vorstellung geprägt, dass ein gewisser Zwischenraum und in vielen Fällen auch ein Höhen­un­ter­schied überwunden werden muss. Die Bahnbenutzer können einen solchen Zwischenraum beherrschen, indem sie sich bei der zu erwartenden Eigensorgfalt darauf einstellen und mit einem entsprechend großen Schritt den Wagen betreten. Unerheblich sei zudem, ob andere Schie­nen­fahrzeuge über ein Gitter verfügen.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (vt/rb)

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