24.11.2024
24.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Landgericht Köln Urteil04.07.2007

Vertrag mit "Deutsches Gewer­be­ver­zeichnis" auf Eintragung von Gewerbedaten ist sittenwidrig und nichtigLandgericht Köln stellt Täuschungs­versuch des "Dienstleisters" fest

Der Markt für Internet-Firmen­ver­zeichnisse ist dadurch gekennzeichnet, dass zahlreiche Anbieter kostenlose Eintragungen vornehmen. Erhält eine Firma dennoch eine Zahlungs­auf­for­derung, so wurde sie möglicherweise zum Abschluss eines sittenwidrigen Vertrages veranlasst, dessen Merkmal vor allem die Verschleierung der Kosten­pflich­tigkeit ist. Ein derartiger Vertrag ist jedoch von vornherein nichtig, wie das Landgericht Köln bestätigte.

Im vorliegenden Fall war der Betreiber einer Imbissstube auf das Angebot eingegangen, seine Gewerbedaten in das "Deutsche Gewer­be­ver­zeichnis" im Internet eintragen zu lassen. Überra­schen­derweise erhielt der Mann eine Rechnung über einen Betrag von 932 Euro vom Anbieter dieser "Dienstleistung". Nachdem er dieser Zahlungs­auf­for­derung nicht nachkam, klagte das Unternehmen schließlich auf Zahlung des geforderten Betrags.

Kläger wollte Vertragspartner schädigen und sich ohne nennenswerte Gegenleistung bereichern

Das Landgericht Köln urteilte, die Klägerin könne die Begleichung der Rechnung über 932 Euro unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sittenwidrig und nichtig gemäß § 138 BGB sei. Der Vertragsschluss auf Eintragung der Gewerbedaten der Imbissstube der Beklagten in das "Deutsche Gewer­be­ver­zeichnis" sei nämlich seitens der Klägerin in der erkennbaren und ausschließ­lichen Absicht initiiert worden, den Vertragspartner zu schädigen und sich dabei ohne nennenswerte Gegenleistung auf Kosten des Gegenübers zu bereichern. Unabhängig von der Nichtigkeit des "Marke­ting­ver­trages" stünde der Klägerin aber auch deshalb kein Vergü­tungs­an­spruch zu, weil sie ihre Verpflichtung aus dem Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.

Klägerin hat Adressaten zu täuschen versucht und sich damit strafbar gemacht

Ein Rechtsgeschäft sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem Inhalt, Beweggrund und Zweck geprägten Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren sei. Dabei sei im Rahmen der anstehenden rechtlichen Überprüfung nicht nur der objektive Gehalt des betroffenen Rechtsgeschäfts zu würdigen, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben. Darüber hinaus müssten auch die Absicht und die hinter dem Rechtsgeschäft stehenden Motive in die Gesamtschau einbezogen werden. Im vorliegenden Fall gehe das Gericht aus den nachfolgenden Gründen nicht nur davon aus, dass die Klägerin die Adressaten ihrer Offerte auf Eintragung von Gewerbedaten in das Deutsche Gewer­be­ver­zeichnis im Sinne des § 123 BGB zu täuschen versucht, sondern sie sich mit den vielfach innerhalb der Bundesrepublik versandten Angeboten zugleich strafbar verhalten habe und über die Täuschung im Sinne von § 123 BGB hinaus vorliegend auch der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB erfüllt sei. Es bedurfte damit auch keiner ausdrücklichen Anfech­tungs­er­klärung der Beklagten zum Vertrag des vorliegenden Falls, um dessen Unwirksamkeit herbeizuführen.

Beklagter konnte eine kostenlose Eintragung erwarten

Als Handlungs­va­riante der arglistigen Täuschung komme jedes Verhalten in Betracht, sofern es geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willen­s­er­klärung zu beeinflussen. So reiche es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst sei, das sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet wäre, den Anderen in die Irre zu führen. Er müsse insoweit zumindest mit der Möglichkeit rechnen, der Gegenüber würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willen­s­er­klärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben.

Das Anschreiben im vorliegenden Fall erwecke durch Wortlaut und äußere Gestaltung einen offiziellen und beinahe amtlichen Eindruck. Der Markt für Internet-Firmen­ver­zeichnisse sei zudem dadurch gekennzeichnet, dass zahlreiche Anbieter kostenlose Eintragungen vornehmen würden. Bei dieser Lage habe der Kläger davon ausgehen können, dass die angeschriebene Firma annahm, letztlich nur eine sogenannte Korrekturfahne zur Sicherstellung der Richtigkeit der zu veröf­fent­li­chenden Adressaten im Internet erhalten zu haben. Deshalb hat die Klägerin in ihrem Serienbrief den Adressaten nachdrücklich darum gebeten, die klägerseits bereits vorausgefüllten Datenfelder des Formulars zu prüfen und zu korrigieren. Durch den bereits vorein­ge­tragenen Betriebsnamen werde beim Adressaten zudem der Anschein eines bereits bestehenden Regis­te­r­eintrags und einer bereits laufenden Geschäfts­be­ziehung hervorgerufen.

Schreiben wurde an über drei Millionen Empfänger verschickt

Auch die geringe Rücksen­dungsquote von ,41 % der versendeten Schreiben spreche nicht gegen die Gefahr einer Irreführung. Denn diese Quote beziehe sich auf sämtliche Empfänger des an über drei Millionen Personen verschickten Schreibens, wohingegen nicht bekannt sei, wie viele Empfänger das Werbeschreiben überhaupt zur Kenntnis genommen hätten. Über das Ausmaß der Irrefüh­rungs­gefahr besage die behauptete Rücksen­dungsquote daher nichts. Selbst bei der genannten Rücksen­dungsquote und einem Vergü­tungs­an­spruch der Klägerin von 1.864 Euro für zwei Jahre entstehe ein lukrativer Gesamt­ho­no­ra­r­an­spruch in Höhe von 23.000.000 Euro.

Quelle: ra-online, Landgericht Köln (vt/st)

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