21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Landgericht Köln Urteil15.11.2011

Schmähkritik: Anwalt darf konkurrierende Kanzlei nicht als "Winkeladvokatur" bezeichnenDie Titulierung eines Juristen als "Winkeladvokat" stellt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre und die Persönlichkeits­rechte dar

Fehlt es einer gegen eine Person gerichteten kritischen und herabsetzenden Bezeichnung an Sachbezug zu einem erhobenen Vorwurf und ist sie nicht als Argument oder Betonung dieses Vorwurfs, sondern lediglich als Diffamierung anzusehen, so handelt es sich dabei um Schmähkritik. Diese genießt nicht den Schutz der Meinungs­freiheit nach dem Grundgesetz und der Betroffene kann einen Unterlassungs­anspruch durchsetzen. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Köln hervor.

Im vorliegenden Fall hatte ein Anwalt die Zusammenarbeit von zwei Berufskollegen in einer E-Mail an die Rechts­an­walts­kammer Köln als "Winkeladvokatur" bezeichnet. Vorausgegangen war dieser Äußerung ein Rechtsstreit, bei dem sich beide Parteien in Vertretung ihrer Mandanten gegen­über­standen. Der angeblich wider­sprüchliche Außenauftritt seiner Prozessgegner, von denen man nicht wisse, ob sie als Kooperation oder als Sozietät auftreten würden, veranlasste den Anwalt zu seiner Äußerung. Der mit diesem Vorwurf konfrontierte Jurist beantragte daher vor Gericht die Unterlassung der Bezeichnung seiner Kanzlei als "Winkeladvokatur".

Mit der Äußerung wollte der Beklagte wider­sprüch­liches Verhalten aufzeigen

Der beklagte Jurist verteidigte die Verwendung des Begriffs, da er damit die Wider­sprüch­lichkeit des klägerischen Verhaltens habe aufzeigen wollen. Der Außenauftritt sei vollkommen undurchsichtig und unlauter. Es werde nicht klar, ob es sich um einen Einzelanwalt in Kooperation oder den Sozius einer BGB-Gesellschaft handele. Die getätigte Äußerung werde außerdem vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt.

Schmähkritik wird nicht von der Meinungs­freiheit gedeckt

Das Landgericht Köln bestätigte jedoch einen Unterlassungsanspruch des Klägers, der sich aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB ergebe. Die Bezeichnung "Winkeladvokatur" stelle einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre und die Persön­lich­keits­rechte des Klägers dar. Der Begriff bezeichne eine Person, die intellektuell unfähig sei, den Beruf des Rechtsanwalts korrekt auszuüben oder diesen in einer mit Moral und Gesetz in Konflikt stehenden Art und Weise ausführe. Einer Einstufung als Ehrverletzung stehe auch nicht entgegen, dass eine Äußerung als Werturteil grundsätzlich den Schutz der Meinungs­freiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genieße. Die Meinungs­freiheit trete nämlich dort zurück, wo es sich bei der Äußerung um Schmähkritik handele. Schmähkritik liege vor, wenn in einer herabsetzenden Äußerung nicht die Ausein­an­der­setzung in der Sache, sondern die Diffamierung einer Person im Vordergrund stehe (vgl. BGH, Urteil v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03 - = BeckRS 2005, 84). Dies treffe auf die Äußerung im vorliegenden Fall zu. Der erforderliche Sachbezug der Äußerung fehle, da der Begriff weder der Unterstreichung der vertretenen Auffassung noch als sachliches Argument verwendet wurde, sondern allein dazu, das Verhalten des Klägers in ein schlechtes Licht zu rücken.

Wieder­ho­lungs­gefahr begründet Anspruch auf Unterlassung

Die für einen Unter­las­sungs­an­spruch weiter zu fordernde Wider­ho­lungs­gefahr liege ebenfalls vor, da der Beklagte keine Unter­las­sungs­er­klärung unterschrieben habe und sich mit der Äußerung, er wolle sich hinsichtlich solcher Formulierungen für die Zukunft nicht binden, bereits das Bestehen der Gefahr einer möglichen Wiederholung selbst bestätigt hatte.

"Winkeladvokatur" und "Winkeladvokat"

Vom Unter­las­sungs­an­spruch erfasst ist nicht nur die Bezeichnung als "Winkeladvokatur", sondern auch die Bezeichnung des Klägers als "Winkeladvokat". Der Beklagte hat den Kläger in dem streit­ge­gen­ständ­lichen E-Mail-Schreiben zwar nicht unmittelbar als "Winkeladvokaten" bezeichnet. Beide Begriffe sind jedoch eng miteinander verwandt, synonym verwendbar und können nicht voneinander getrennt werden. Ob die Person als "Winkeladvokat" oder die Verhaltensweise bzw. das Büro als "Winkeladvokatur" bezeichnet wird, macht sinngemäß keinen Unterschied. Durch die Umschreibung eines Verhaltens wird auch eine Aussage über die Person getroffen. Denn hinter der als "Winkeladvokatur" bezeichneten "Verpackung" einer Kanzlei steht immer der hierfür verantwortliche Rechtsanwalt.

Quelle: ra-online, Landgericht Köln (vt/st)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil12877

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI