18.10.2024
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Dokument-Nr. 8500

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Bundesgerichtshof Urteil22.09.2009

BGH zur Meinungs­freiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen und dessen Vorstands­vor­sit­zendenPersön­lich­keits­schutz tritt hinter Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung zurück

Ein Aktionär darf im Rahmen seines Rechtes auf freie Meinung­s­äu­ßerung öffentlich Kritik gegenüber einem Unternehmen und dessen Vorstands­vor­sit­zenden üben. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Klägerin zu 1 ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2 war bis Ende 2005 Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1 und Sprecher eines Aktio­nä­r­ver­bandes.

Sachverhalt

Am 28. Juli 2005 meldete die Klägerin zu 1, ihr Aufsichtsrat habe beschlossen, dass der Kläger zu 2 zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am selben Tag wurde in der Fernsehsendung "SWR-Landesschau" ein mit dem Beklagten geführtes Interview ausgestrahlt, in dem dieser unter anderem Folgendes äußerte:

"Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

Das Landgericht hat dem auf Untersagung dieser Äußerungen gerichteten Unter­las­sungs­antrag der Kläger stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlan­des­gericht zurückgewiesen.

Äußerungen müssen im Gesamt­zu­sam­menhang bewertet werden

Die vom Bundes­ge­richtshof zugelassene Revision des Beklagten führte zur Klageabweisung. Die Äußerungen des Beklagten dürfen nicht isoliert gesehen, sondern müssen im Gesamt­zu­sam­menhang des Interviews bewertet werden. Sie unterliegen als wertende Äußerungen dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinung­s­äu­ßerung gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der erste Teil der Äußerung war entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts nicht als Tatsa­chen­be­hauptung, sondern als Werturteil einzustufen. Beim zweiten Teil handelt es sich auch nicht um unzulässige Schmähkritik, weil sich der Beklagte zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichen Interesse äußerte und nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2 im Vordergrund stand. Bei der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Persön­lich­keits­schutz der Kläger und dem Grundrecht des Beklagten auf freie Meinung­s­äu­ßerung musste der Persön­lich­keits­schutz der Kläger im vorliegenden Fall zurücktreten. An der Bewertung der Geschäft­s­tä­tigkeit des Vorstands­vor­sit­zenden eines Großun­ter­nehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt besteht ein großes öffentliches Interesse. Demgemäß müssen die Grenzen zulässiger Kritik gegenüber einem solchen Unternehmen und seinen Führungskräften weiter sein. Würde man solche Äußerungen am Tag des Ereignisses unterbinden, wäre eine öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffent­lich­keitswert in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.

Quelle: ra-online, BGH

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