18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht Koblenz Beschluss07.02.2018

Eltern haften nicht für Schäden durch fahrradfahrende KinderLG Koblenz zu Aufsichts­pflichten von Eltern bei der Teilnahme ihrer Kinder am Straßenverkehr

Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass Eltern nicht dafür haften, wenn Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren beim Fahrradfahren zu dicht an geparkte Autos geraten und Schäden verursachen.

Im zugrunde liegenden Fall waren zwei Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren am Schadentag mit ihren Fahrrädern zu einem nahegelegen Spielplatz unterwegs. Dabei fuhren sie auf Anweisung ihrer Eltern auf der wenig befahrenen Straße und nicht auf dem Gehweg. Bei einem Wettrennen zum Spielplatz touchierten sie mehrere parkende Autos, wobei ein Schaden in Höhe von fast 8.000 Euro entstand, weil die Gummiüberzüge an den Griffenden der Fahrräder fehlten bzw. defekt waren. Bei der Klägerin handelt es sich um ein Versi­che­rungs­un­ter­nehmen, welches die Schäden an den Fahrzeugen ersetzt hatte. Sie nahm nun die Beklagte, die am Schadentag die Aufsicht über die beiden Kinder ausübte, in Regress und reichte wegen des hälftigen Betrages Klage beim Amtsgericht ein. Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte habe ihre Aufsichts­pflicht verletzt, da sie die beiden Kinder unbeaufsichtigt Fahrrad habe fahren lassen. Die Kinder seien falsch instruiert worden, weil gemäß § 2 Abs. 5 Straßen­ver­kehrs­ordnung (StVO) Kinder bis zur Vollendung des achten Lebensjahres mit Fahrrädern zwingend den Gehweg benutzen müssten. Die Fahrräder seien auch nicht ordnungsgemäß mit Gummistopfen ausgestattet gewesen. Die Beklagte hielt entgegen, dass den Kindern der Weg zum Spielplatz bekannt gewesen sei, sie seien über die Gefahren des Straßenverkehrs aufgeklärt und darüber informiert worden, wie sie sich zu verhalten hätten. Die Kinder seien auch in regelmäßigen Abständen beobachtet worden.

AG verneint Aufsichts­pflicht­ver­let­zungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab und entschied, dass die Beklagte ihrer Aufsichts­pflicht genügt habe. Die Kinder, so das Amtsgericht, hätten sich mit sechs und sieben Jahren in einem Alter befunden, in welchem diese an die Teilnahme am Straßenverkehr hätten herangeführt werden sollen. Die Beweisaufnahme habe bestätigt, dass die Kinder die örtlichen Begebenheiten gekannt hätten und im Rahmen der Verkehr­s­er­ziehung in Kindergarten und Schule über die richtigen Verhal­tens­weisen aufgeklärt worden seien. Die Schäden wären auch dann entstanden, wenn die Kinder lediglich den Gehwegbereich befahren hätten. Im Übrigen gehörten, so das Amtsgericht weiter, Gummistopfen an den Lenkerenden nicht zur erforderlichen Ausstattung eines Fahrrades.

Schäden beruhten auf eigenmächtig veranstaltetem "verkehrs­wi­drigem" Wettrennen

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin erfolglos Berufung ein. Das Landgericht Koblenz verwies in seiner Entscheidung darauf, dass das sich Maß der gebotenen Aufsicht bei Minderjährigen u.a. nach deren Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, seinem örtlichen Umfeld, dem Ausmaß der drohenden Gefahren, der Vorher­seh­barkeit des schädigenden Verhaltens sowie der Zumutbarkeit für den Aufsichts­pflichtigen richte. Zu berücksichtigen sei dabei, dass Kinder erfahrungsgemäß dazu neigten, Vorschriften und Anordnungen zu missachten und sich unbesonnen zu verhalten, andererseits das Ziel bestehe, sie zu selbständigem und selbst­ver­ant­wort­lichem Handeln zu erziehen. Gemessen daran, so das Gericht weiter, könne der Beklagten vorliegend eine Aufsichtspflichtverletzung nicht vorgeworfen werden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die beiden Schulkinder eine ihnen bekannte, wenig befahrene Straße zu einem nahegelegenen Spielplatz befahren hätten, eine Verkehr­s­er­ziehung bereits erfolgt und die Beobachtung durch die Beklagte gewährleistet gewesen sei. Auf § 2 Abs. 5 StVO könne sich die Klägerin nicht berufen, da die Vorschrift nicht bezwecke, Dritte vor Schäden durch Kinder zu bewahren, sondern lediglich dem Schutz fahrrad­fah­render Kinder vor schnelleren Verkehrs­teil­nehmern diene. Eine Verpflichtung, nur mit intakten Gummistopfen an den Lenkerenden Fahrrad zu fahren, existiere ebenfalls nicht. Die Schäden beruhten letztlich auf dem eigenmächtigen Entschluss der Kinder, ein "verkehrs­wi­driges" Wettrennen zu veranstalten. Die Klägerin nahm nach diesen Hinweisen die Berufung zurück. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist damit rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Koblenz/ra-online

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