21.11.2024
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Landgericht Saarbrücken Urteil13.02.2015

Radfahrende schulpflichtige Kinder: Beim Befahren von verkehrs­be­ru­higten Bereichen genügt die Belehrung über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der elterlichen Aufsichts­pflichtErlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr erfordert Radfahren ohne ständige Kontrolle und Anleitung der Eltern

Schulpflichtige Kinder dürfen sich grundsätzlich allein im Straßenverkehr mit einem Fahrrad bewegen. Denn das Erlernen eines selbständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr erfordert ein Radfahren ohne ständige Kontrolle und Anleitung durch die Eltern. Die Eltern müssen jedoch ihrer Aufsichts­pflicht durch eine Belehrung über die Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs nachkommen. Beim Befahren von verkehrs­be­ru­higten Bereichen genügt die Belehrung über die allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs und den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2013 missachtete ein 8-jähriger Radfahrer in einem verkehrs­be­ru­higten Bereich die Vorfahrt einer Autofahrerin, so dass es zu einer Kollision kam. Die Autofahrerin, die mit Schritt­ge­schwin­digkeit gefahren war, lastete den Eltern eine Aufsichts­pflicht­ver­letzung an und klagte auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von über 2.000 EUR. Nachdem das Amtsgericht den Eltern eine mangelnde Aufklärung und Belehrung ihres Kindes über die Gefahren- und Verhal­tens­regeln vorwarf und der Schaden­er­satzklage der Autofahrerin daher stattgab, musste sich das Landgericht Saarbrücken mit dem Fall beschäftigen.

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Aufsichts­pflicht­ver­letzung

Das Landgericht Saarbrücken entschied zu Gunsten der Eltern des 8-jährigen Radfahrers und hob daher die erstin­sta­nzliche Entscheidung auf. Die Eltern haben zwar grundsätzlich als Aufsichts­pflichtige nach § 832 Abs. 1 BGB gehaftet. Eine Schaden­s­er­satz­pflicht habe aber dennoch nicht bestanden, da sie ihrer Aufsichts­pflicht nachgekommen seien.

Pflicht zur Belehrung über Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs

Nach Ansicht des Landgerichts dürften sich schulpflichtige Kinder grundsätzlich bereits ab dem 6. Lebensjahr allein im Straßenverkehr bewegen, wenn dem keine speziellen Gefahrenquellen entgegenstehen. Denn zum Erlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr gehöre die Möglichkeit, sich ohne ständige direkte Kontrolle und Anleitung im Verkehr zu bewähren. Beherrsche ein Kind das Radfahren, müssen die Eltern aber im Rahmen ihrer Aufsichts­pflicht, das Kind über Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs belehren. Diese Belehrung müsse umso eingehender und nachhaltiger ausfallen, je gefah­ren­trächtiger die befahrene Strecke ist.

Zulässigkeit des unbeauf­sich­tigtes Radfahrens in verkehrs­be­ru­higten Bereichen

In verkehrs­be­ru­higten Bereichen in unmittelbarer Nähe zur elterlichen Wohnung dürften die Eltern ihren Kindern größere Freiheiten lassen als im "normalen" Straßenverkehr, so das Landgericht weiter. Es sei daher zulässig, die Kinder unbeaufsichtigt Fahrradfahren zu lassen. Denn nur in einer verkehrs­be­ru­higten Zone würden die Defizite der Kinder durch entsprechend vorsichtiges und verant­wor­tungs­be­wusstes Verhalten der anderen Verkehrs­teil­nehmer ausgeglichen.

Belehrung über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme genügt beim Befahren von verkehrs­be­ru­higten Bereichen

Es genüge daher der Aufsichts­pflicht der Eltern, so das Landgericht, wenn das Kind über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtsnahme auch im Verhältnis zu Autofahrern aufgeklärt und zu dessen Beachtung angehalten wird. Nicht erforderlich sei dagegen, dass das radfahrende Kind mit einzelnen Verkehrsegeln vertraut gemacht und deren Beherrschung überprüft wird. Davon ausgehend seien die Eltern ihrer Aufsichts­pflicht nachgekommen. Sie haben ihr Kind darüber belehrt langsam zu fahren und auf das Vorrecht der Autos zu achten.

Quelle: Landgericht Saarbrücken, ra-online (vt/rb)

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