Dokument-Nr. 21322
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- NJW-RR 2015, 720Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 720
Landgericht Saarbrücken Urteil13.02.2015
Radfahrende schulpflichtige Kinder: Beim Befahren von verkehrsberuhigten Bereichen genügt die Belehrung über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der elterlichen AufsichtspflichtErlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr erfordert Radfahren ohne ständige Kontrolle und Anleitung der Eltern
Schulpflichtige Kinder dürfen sich grundsätzlich allein im Straßenverkehr mit einem Fahrrad bewegen. Denn das Erlernen eines selbständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr erfordert ein Radfahren ohne ständige Kontrolle und Anleitung durch die Eltern. Die Eltern müssen jedoch ihrer Aufsichtspflicht durch eine Belehrung über die Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs nachkommen. Beim Befahren von verkehrsberuhigten Bereichen genügt die Belehrung über die allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs und den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2013 missachtete ein 8-jähriger Radfahrer in einem verkehrsberuhigten Bereich die Vorfahrt einer Autofahrerin, so dass es zu einer Kollision kam. Die Autofahrerin, die mit Schrittgeschwindigkeit gefahren war, lastete den Eltern eine Aufsichtspflichtverletzung an und klagte auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von über 2.000 EUR. Nachdem das Amtsgericht den Eltern eine mangelnde Aufklärung und Belehrung ihres Kindes über die Gefahren- und Verhaltensregeln vorwarf und der Schadenersatzklage der Autofahrerin daher stattgab, musste sich das Landgericht Saarbrücken mit dem Fall beschäftigen.
Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Aufsichtspflichtverletzung
Das Landgericht Saarbrücken entschied zu Gunsten der Eltern des 8-jährigen Radfahrers und hob daher die erstinstanzliche Entscheidung auf. Die Eltern haben zwar grundsätzlich als Aufsichtspflichtige nach § 832 Abs. 1 BGB gehaftet. Eine Schadensersatzpflicht habe aber dennoch nicht bestanden, da sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen seien.
Pflicht zur Belehrung über Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs
Nach Ansicht des Landgerichts dürften sich schulpflichtige Kinder grundsätzlich bereits ab dem 6. Lebensjahr allein im Straßenverkehr bewegen, wenn dem keine speziellen Gefahrenquellen entgegenstehen. Denn zum Erlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr gehöre die Möglichkeit, sich ohne ständige direkte Kontrolle und Anleitung im Verkehr zu bewähren. Beherrsche ein Kind das Radfahren, müssen die Eltern aber im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht, das Kind über Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs belehren. Diese Belehrung müsse umso eingehender und nachhaltiger ausfallen, je gefahrenträchtiger die befahrene Strecke ist.
Zulässigkeit des unbeaufsichtigtes Radfahrens in verkehrsberuhigten Bereichen
In verkehrsberuhigten Bereichen in unmittelbarer Nähe zur elterlichen Wohnung dürften die Eltern ihren Kindern größere Freiheiten lassen als im "normalen" Straßenverkehr, so das Landgericht weiter. Es sei daher zulässig, die Kinder unbeaufsichtigt Fahrradfahren zu lassen. Denn nur in einer verkehrsberuhigten Zone würden die Defizite der Kinder durch entsprechend vorsichtiges und verantwortungsbewusstes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ausgeglichen.
Belehrung über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme genügt beim Befahren von verkehrsberuhigten Bereichen
Es genüge daher der Aufsichtspflicht der Eltern, so das Landgericht, wenn das Kind über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtsnahme auch im Verhältnis zu Autofahrern aufgeklärt und zu dessen Beachtung angehalten wird. Nicht erforderlich sei dagegen, dass das radfahrende Kind mit einzelnen Verkehrsegeln vertraut gemacht und deren Beherrschung überprüft wird. Davon ausgehend seien die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen. Sie haben ihr Kind darüber belehrt langsam zu fahren und auf das Vorrecht der Autos zu achten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.07.2015
Quelle: Landgericht Saarbrücken, ra-online (vt/rb)
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