Im zugrunde liegenden Fall rutschte der Kläger am 23.12.2003 gegen 8 Uhr auf dem Gehweg vor dem Anwesen der Beklagten aufgrund von Schnee- bzw. Eisglätte aus. Bei dem Sturz zog er sich erhebliche Verletzungen zu. Er verklagte daher die Eigentümerin und Vermieterin des Hauses auf Schmerzensgeld.
Diese hatte ihre Mieter per mietvertraglicher Regelung zum Winterdienst verpflichtet. Der Mietvertrag verwies auf die Hausordnung, in der es hieß:
"Der Mieter ist verpflichtet, jeweils nach Schneefall bzw. bei Eisglätte nach Maßgabe des besonderen Zeitplans - der wesentlicher Bestandteil dieser Hausordnung oder einer anderen Einteilung ist - abwechselnd Schnee und Eis vom Bürgersteig und vom Hauszugang schnellstens zu beseitigen und bei Glatteis oder Schneeglätte Sand, Asche oder andere abstumpfende Mittel zu streuen. (...) Im Übrigen gelten die örtlichen Polizeiverordnungen."
Die Beklagte hatte für das Haus einen Zeitplan für die von den Mietern durchzuführenden Schneeräum- und Streuarbeiten aufgestellt, wonach am 22. Dezember die Mieter des Erdgeschosses links verpflichtet waren. Außerdem hatte die Beklagte für das Anwesen einen Hauswart bestellt, der bei Bedarf auch selbst den Kehr- und Streudienst durchführte.
Das Gericht wies die Klage gegen die beklagte Hauseigentümerin und Vermieterin ab. Die Beklagte habe die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht, die ihrem Verantwortungsbereich zugeordneten Wege von Glätte freizuhalten, wirksam durch den Mietvertrag in Verbindung mit der Hausordnung und dem Zeitplan auf Dritte übertragen.
Durch eine Hausordnung, auf die im Mietvertrag hingewiesen und die dem Mieter zusammen mit dem Mietvertrag in die Hand gegeben werde, könne die Streupflicht wirksam auf die Mieter eines Hauses übertragen werden(vgl. auch AG Ulm, Urteil v. 05.08.1986, 6 C 968/86 - 03). Dies gelte nicht nur, wenn die Hausordnung selbst in das vorgedruckte Mietvertragsformular aufgenommen ist, sondern auch, wenn in eindeutiger Weise - hier in § 6 des Mietvertrages - durch entsprechenden Verweis und unter Übergabe der Hausordnung und des Winterdienstzeitplans dem Mieter vor Augen geführt wird, dass er zukünftig für den Räum- und Streudienst zuständig ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 22.09.1988 - 16 U 123/87 -).
Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen bestünden nicht. Es liege zum einem keine überraschende Klausel im Sinne des (auf den vorliegenden Mietvertrag vom 22.08.1986 noch anwendbaren) § 3 AGBG vor. Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Mieter sei üblich und stelle insbesondere dann die Regel dar, wenn der Vermieter erkennbar (wie hier) eine Vielzahl von Wohnungen (im vorliegenden Fall sind es mehrere Tausend) halte, so dass eine Wahrnehmung des Winterdienstes durch den Vermieter selbst jedenfalls nicht zu erwarten sei.
Auch benachteilige die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht den Mieter nicht unangemessen im Sinne von § 9 AGBG. Zwar sei grundsätzlich die Räum- und Streupflicht Sache des Vermieters. Dies hindere den Vermieter aber nicht, diese Pflicht vertraglich auf den Mieter zu übertragen, der das Grundstück tatsächlich nutze und der auf Grund seiner tatsächlichen Nähe zu dem Mietobjekt ohne weiteres in der Lage sei, Gefahren, die von dem Grundstück bzw. der dort herrschenden Glätte ausgehen, zu erkennen und für Abhilfe zu sorgen.
Weil die Räum- und Streupflicht wirksam auf die Mieter übertragen worden sei, habe die Vermieterin nur noch eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstrecke, ob der Mieter/Hauswart die vertraglich übernommenen Sicherungsmaßnahmen tatsächlich durchführt (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1984 - VI ZR 125/83 -). Diesbezüglich hatte das Gericht im Ergebnis jedoch keine Zweifel.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.01.2010
Quelle: ra-online, Landgericht Karlsruhe