18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht Karlsruhe Urteil30.05.2006

Räumpflicht des Mieters: Vermieter kann Räumpflicht und Streupflicht auf Mieter abwälzenVermieter hat dann nur noch Kontroll- und Überwa­chungs­pflichten

Der Vermieter eines Hauses kann seine Pflicht, vor dem Haus Schnee zu räumen und gegebenenfalls die Gehsteige zu streuen auf seine Mieter abwälzen. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Karlsruhe hervor.

Im zugrunde liegenden Fall rutschte der Kläger am 23.12.2003 gegen 8 Uhr auf dem Gehweg vor dem Anwesen der Beklagten aufgrund von Schnee- bzw. Eisglätte aus. Bei dem Sturz zog er sich erhebliche Verletzungen zu. Er verklagte daher die Eigentümerin und Vermieterin des Hauses auf Schmerzensgeld.

Vermieter überträgt Räumpflicht per Mietvertrag und Hausordnung auf Mieter

Diese hatte ihre Mieter per mietver­trag­licher Regelung zum Winterdienst verpflichtet. Der Mietvertrag verwies auf die Hausordnung, in der es hieß:

"Der Mieter ist verpflichtet, jeweils nach Schneefall bzw. bei Eisglätte nach Maßgabe des besonderen Zeitplans - der wesentlicher Bestandteil dieser Hausordnung oder einer anderen Einteilung ist - abwechselnd Schnee und Eis vom Bürgersteig und vom Hauszugang schnellstens zu beseitigen und bei Glatteis oder Schneeglätte Sand, Asche oder andere abstumpfende Mittel zu streuen. (...) Im Übrigen gelten die örtlichen Polizei­ver­ord­nungen."

Beklagte hatte Zeitplan für Mieter aufgestellt

Die Beklagte hatte für das Haus einen Zeitplan für die von den Mietern durch­zu­füh­renden Schneeräum- und Streuarbeiten aufgestellt, wonach am 22. Dezember die Mieter des Erdgeschosses links verpflichtet waren. Außerdem hatte die Beklagte für das Anwesen einen Hauswart bestellt, der bei Bedarf auch selbst den Kehr- und Streudienst durchführte.

Richter: Räumpflicht wurde wirksam auf Mieter übertragen

Das Gericht wies die Klage gegen die beklagte Hausei­gen­tümerin und Vermieterin ab. Die Beklagte habe die ihr obliegenden Verkehrs­si­che­rungs­pflicht, die ihrem Verant­wor­tungs­bereich zugeordneten Wege von Glätte freizuhalten, wirksam durch den Mietvertrag in Verbindung mit der Hausordnung und dem Zeitplan auf Dritte übertragen.

Richter: Räumpflicht kann in Hausordnung geregelt werden, wenn der Mietvertrag hierauf verweist

Durch eine Hausordnung, auf die im Mietvertrag hingewiesen und die dem Mieter zusammen mit dem Mietvertrag in die Hand gegeben werde, könne die Streupflicht wirksam auf die Mieter eines Hauses übertragen werden(vgl. auch AG Ulm, Urteil v. 05.08.1986, 6 C 968/86 - 03). Dies gelte nicht nur, wenn die Hausordnung selbst in das vorgedruckte Mietver­trags­formular aufgenommen ist, sondern auch, wenn in eindeutiger Weise - hier in § 6 des Mietvertrages - durch entsprechenden Verweis und unter Übergabe der Hausordnung und des Winter­dienst­zeitplans dem Mieter vor Augen geführt wird, dass er zukünftig für den Räum- und Streudienst zuständig ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 22.09.1988 - 16 U 123/87 -).

Keine überraschende Klausel

Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle allgemeiner Geschäfts­be­din­gungen bestünden nicht. Es liege zum einem keine überraschende Klausel im Sinne des (auf den vorliegenden Mietvertrag vom 22.08.1986 noch anwendbaren) § 3 AGBG vor. Die Übertragung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht auf die Mieter sei üblich und stelle insbesondere dann die Regel dar, wenn der Vermieter erkennbar (wie hier) eine Vielzahl von Wohnungen (im vorliegenden Fall sind es mehrere Tausend) halte, so dass eine Wahrnehmung des Winterdienstes durch den Vermieter selbst jedenfalls nicht zu erwarten sei.

Mieter sind durch Räumpflicht nicht unangemessen benachteiligt

Auch benachteilige die Übertragung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht den Mieter nicht unangemessen im Sinne von § 9 AGBG. Zwar sei grundsätzlich die Räum- und Streupflicht Sache des Vermieters. Dies hindere den Vermieter aber nicht, diese Pflicht vertraglich auf den Mieter zu übertragen, der das Grundstück tatsächlich nutze und der auf Grund seiner tatsächlichen Nähe zu dem Mietobjekt ohne weiteres in der Lage sei, Gefahren, die von dem Grundstück bzw. der dort herrschenden Glätte ausgehen, zu erkennen und für Abhilfe zu sorgen.

Kontroll- und Überwa­chungs­pflicht

Weil die Räum- und Streupflicht wirksam auf die Mieter übertragen worden sei, habe die Vermieterin nur noch eine Kontroll- und Überwa­chungs­pflicht, die sich darauf erstrecke, ob der Mieter/Hauswart die vertraglich übernommenen Siche­rungs­maß­nahmen tatsächlich durchführt (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1984 - VI ZR 125/83 -). Diesbezüglich hatte das Gericht im Ergebnis jedoch keine Zweifel.

Quelle: ra-online, Landgericht Karlsruhe

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