21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Landgericht Heilbronn Urteil17.02.2015

Aufnahmen durch eine Dashcam dürfen nicht zur Beweisführung im Rahmen eines Verkehrsunfalls verwendet werdenVerletzung des infor­ma­ti­o­nellen Selbst­bestimmungs­rechts der Aufgenommenen überwiegt Interesse an Beweissicherung

Die Aufnahmen einer im Fahrzeug angebrachten Videokamera (Dashcam), dürfen in der Regel nicht zur Beweisführung im Rahmen eines Schaden­ersatz­prozesses wegen eines Verkehrsunfalls herangezogen werden. Denn die durch die Filmaufnahmen bedingte Verletzung des infor­ma­ti­o­nellen Selbst­bestimmungs­rechts der Aufgenommenen wiegt schwerer als das Interesse an der Beweissicherung. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Heilbronn hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall legte die Klägerin in einem Schaden­er­satz­prozess wegen eines Verkehrsunfalls Filmaufnahmen einer im Fahrzeug angebrachten Dashcam vor. Dadurch sollte der von der Klägerin behauptete Unfallhergang bewiesen werden. Das Amtsgericht Besigheim ließ die Verwertung der Filmaufnahmen jedoch nicht zu und entschied auf Basis der sonstigen Beweismittel, dass die Klägerin für die Unfallfolgen allein hafte. Dagegen richtete sich ihre Berufung.

Verwertung von Videoaufnahmen nur ausnahmsweise zulässig

Das Landgericht Heilbronn bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung der Klägerin daher zurück. Es führte dazu aus, dass die Verwertung von ohne Kenntnis der Betroffenen angefertigten Filmaufnahmen nur ausnahmsweise zulässig sein kann. Es sei eine einzel­fa­ll­ab­hängige umfassende Inter­es­se­n­ab­wägung vorzunehmen. Auf Seiten der Betroffenen stehe das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung und damit das Persön­lich­keitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG), welches durch die Videoaufnahmen verletzt wird. Auf Seiten der Klägerin stünden ihr legitimes Interesse an einer Beweissicherung und der Grundsatz, dass die Gerichte angebotene Beweise berücksichtigen müssen.

Durch Dashcam bedingte großflächige und dauerhafte Überwachung unzulässig

Nach Auffassung des Landgerichts sei das Interesse der Klägerin an einer Beweissicherung nicht höher zu bewerten als das informationelle Selbst­be­stim­mungsrecht der Betroffenen. Es sei zu beachten gewesen, dass durch die Dashcam eine heimliche und großflächige Überwachung der öffentlichen Straßen stattgefunden hat. Durch die permanente Aufzeichnung sei eine Vielzahl von Personen innerhalb kurzer Zeit in ihrem Persön­lich­keitsrecht verletzt worden. Dies habe einen schwerwiegenden Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen begründet. Zudem habe der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass bereits eine stationäre, dauerhafte und verdachtslose Überwachung ohne Veröf­fent­li­chungs­willen grundsätzlich unzulässig sei (BGH, NJW 1995, 1955). Es dürfe daher nichts anderes für den Fall gelten, dass die Absicht besteht, die Aufnahmen zu veröffentlichen.

Löschung der Aufnahmen durch Klägerin unerheblich

Es sei darüber hinaus unerheblich gewesen, so das Landgericht, dass die Klägerin die Aufnahmen löscht, wenn sie nicht gebraucht werden. Dadurch sei die Verletzung des Persön­lich­keits­rechts nicht weniger schwer gewesen. Denn darin liege eine erhebliche Missachtung der Befugnis der Betroffenen, selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu entscheiden.

Gefahr der permanenten Video­über­wachung bestand

Zudem verwies das Landgericht auf die Bedenken des Amtsgerichts München. Würde man nämlich Videoaufnahmen allein aus Gründen der Beweissicherung zulassen, so das Amtsgericht, könne dies zu einer permanenten Video­über­wachung durch jedermann führen. Damit würde das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung aufgegeben (AG München, Beschl. v. 13.08.2014 - 345 C 5551/14 -).

Verstoß gegen Bundes­da­ten­schutz­gesetz sowie Kunst­ur­he­ber­gesetz

Das Landgericht sah in der Videoaufnahme durch Dashcams ferner einen Verstoß gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 Bundes­da­ten­schutz­gesetz sowie gegen § 22 Satz 1 Kunst­ur­he­ber­gesetz.

Quelle: Landgericht Heilbronn, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil20633

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI