18.10.2024
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Dokument-Nr. 18681

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Hinweisbeschluss13.08.2014Amtsgericht München345 C 5551/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • RDV 2014, 345Zeitschrift: Recht der Datenverarbeitung (RDV), Jahrgang: 2014, Seite: 345
  • ZD 2014, 530Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2014, Seite: 530
  • zfs 2014, 692Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2014, Seite: 692
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ergänzende Informationen

Amtsgericht München Hinweisbeschluss13.08.2014

Dash-Cam-Aufzeichnungen können nicht als Beweismittel in einem Zivilprozess verwertet werdenPermanente Überwachung des Straßenverkehrs verstößt gegen das Bundes­daten­schutz­gesetz und Kunst­ur­he­berrecht

Die Video­auf­zeich­nungen mit Hilfe der Dash-Cam dürfen in einem Prozess nicht als Beweismittel verwendet werden. Der PKW Fahrer muss daher mit anderen Mitteln seine Unschuld beweisen, um den Prozess nicht zu verlieren. Dies hat Amtsgericht München mit Hinweis­be­schluss bekanntgegeben.

Im vorliegenden Verfahren möchte ein PKW Fahrer, der in einen Unfall verwickelt wurde, im Rahmen des Prozesses seine Unschuld mit Video­auf­zeich­nungen seiner Car-Cam bzw. Dash-Cam beweisen.

Unfall­schil­derung:

Am 14.1.14 um circa 17 Uhr wollte ein Münchner mit seinem PKW vom Parkplatz des Grundstücks Frankfurter Ring 162 in München in den Frankfurter Ring nach rechts einfahren. Der Frankfurter Ring hat an dieser Stelle zwei Fahrspuren in eine Richtung. Der Münchener behauptet, er habe an der Einmündung sein Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst und sei erst losgefahren, als die rechte Fahrspur frei war. In diesem Augenblick sei der Unfallgegner aus Erding plötzlich und ohne zu blinken mit seinem Fahrzeug von der linken Fahrspur auf die rechte Fahrspur gewechselt, wo es zur Kollision kam. Der Erdinger PKW Fahrer behauptet dagegen, er sei bereits auf der rechten Fahrspur des Frankfurter Rings gefahren, als der Münchner aus der Grund­s­tücks­ausfahrt einscherte. Der Münchner habe ihn offensichtlich übersehen. Der Unfall sei für ihn unvermeidbar gewesen.

Benennung von Unfallzeugen nicht möglich

Weder der Münchner noch der Erdinger Fahrer können Unfallzeugen benennen. Der Münchner Fahrer hatte jedoch eine Dash-Cam in seinem PKW installiert, mit der der gesamte Vorfall aufgezeichnet wurde. Mit diesen Aufzeichnungen möchte der Münchner beweisen, dass er -entgegen dem Beweis des ersten Anscheins - nicht schuld an dem Unfall war.

Verwertung der Video­auf­zeich­nungen als Beweismittel wegen Verstoß gegen Bundes­da­ten­schutz­gesetz abgelehnt

Der zuständige Richter lehnt eine Verwertung und Verwendung der Video­auf­zeich­nungen als Beweismittel ab.

Die Verwertbarkeit solcher Aufnahmen hänge nach ständiger Rechtsprechung von den schutzwürdigen Interessen der Parteien ab, die gegeneinander abzuwägen sind (vgl. AG München, Urteil v. 06.06.2013 - 343 C 4445/13 - Zur Zulässigkeit von privaten Videoaufnahmen als Beweismittel). Ein Indiz für die Beurteilung sei auch, ob ein Verstoß gegen einfach­ge­setzliche Bestimmungen vorliege. Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im PKW installierte Autokamera verstoße gegen § 6 b Abs. 1 Nr.3 Bundes­da­ten­schutz­gesetz sowie gegen § 22 S.1. Kunst­ur­he­ber­gesetz und verletze den beklagten Erdinger in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persön­lich­keits­rechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs.1 Grundgesetz.

Schutz des Einzelnen vor Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen

Das Bundes­da­ten­schutz­gesetz bezweckt den Schutz des Einzelnen vor Beein­träch­ti­gungen seines Persön­lich­keits­rechts. Danach ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Video­über­wachung nur zulässig, wenn sie für einen konkreten Zweck erforderlich ist und nicht andere schutzwürdige Interessen überwiegen.

Schutzwürdiges Interesse der Gefilmten überwiegt

Der Zweck der Autokamera, die Sicherung von Beweismitteln bei einem möglichen Unfall zu sichern, sei zwar, so das Amtsgericht, hinreichend konkret, es würden aber die schutzwürdigen Interessen der Gefilmten überwiegen. Die Zulassung solcher Videos als Beweismittel würde zu einer weiten Verbreitung der Ausstattung mit Car-Cams führen. Was mit den Aufzeichnungen geschehe und wem diese zugänglich gemacht würden, wäre völlig unkon­trol­lierbar.

Veröf­fent­lichung der Bilder nur mit Einwilligung der Abgebildeten möglich

Die Verwendung der Autokamera verstoße auch gegen § 22 Satz 1 Kunst­ur­he­ber­gesetz. Danach dürfen Bilder nur mit Einwilligung des Abgebildeten öffentlich gemacht werden. Der permanente Einsatz der Autokamera führe auch zur Erstellung von Fotos von Personen, die außerhalb des KFZ am Straßenrand oder in anderen PKWs oder in sonstiger Weise am Straßenverkehr beteiligt sind. Dies verletze diese Personen in ihrem Allgemeinen Persön­lich­keitsrecht.

Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung durch konkurrierende Grundrechte anderer einschränkbar

Durch die unbefugte Erstellung von Aufnahmen werde das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung verletzt. Dieses Recht könne eingeschränkt werden durch konkurrierende Grundrechte anderer. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat in einer Entscheidung festgestellt, dass allein das allgemeine Interesse an einer funkti­o­ns­tüchtigen Straf- und Zivil­rechts­pflege nicht ausreiche, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Persön­lich­keitsrecht zukomme. Vielmehr müssten weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persön­lich­keits­be­ein­träch­tigung schutzwürdig ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 11.08.2009 - 2 BvR 941/08 - Zur Video-Aufzeichnung von Verkehrks­kon­trollen).

Bloße Möglichkeit einer Beweisführung genügt Anforderungen nicht

Das Amtsgericht München stellt fest, dass die bloße Möglichkeit, dass eine Beweisführung notwendig werden könnte, nicht diesen Anforderungen genügt, da im Straßenverkehr generell die Gefahr besteht, in einen Unfall verwickelt zu werden.

Das Gericht stellt abschließend fest:

Die Alternative zu dieser Ansicht des Gerichts würde konsequenter Weise bedeuten, dass jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem PKW, sondern auch an seiner Kleidung befestigen könnte, dass jedermann permanent gefilmt und überwacht werden könnte und so das Recht auf Informationelle Selbst­be­stimmung praktisch aufgegeben würde.

Quelle: Amtsgericht München/ ra-online

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