Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2014 kam es in einem Kreuzungsbereich zu einem Verkehrsunfall. Einer der beteiligten Autofahrer warf dem anderen Autofahrer einen unvorsichtigen Spurwechsel vor, der eine Kollision beider Fahrzeuge nach sich zog, und klagte auf Zahlung von Schadenersatz. Der beklagte Autofahrer wies den Vorwurf zurück. Nicht er, sondern der klägerische Fahrzeugführer habe einen widerrechtlichen Spurwechsel vorgenommen. Dem trat der Kläger mit dem Hinweis entgegen, er könne seine Schilderung des Unfallgeschehens mit Hilfe der von seiner Dash-Cam angefertigten Aufzeichnungen beweisen. Der Fall kam schließlich vor Gericht.
Das Amtsgericht Nürnberg entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm habe ein Anspruch auf Schadenersatz zugestanden. Denn aufgrund der Dash-Cam-Aufzeichnungen habe festgestanden, dass der Unfall durch einen unvorsichtigen Spurwechsel des Beklagten verursacht worden sei. Ein Verbot der Verwertung der Aufzeichnungen sei zu verneinen gewesen.
Nach Ansicht des Amtsgerichts habe sich ein Beweisverwertungsverbot nicht aus einem Verstoß gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ergeben. So sei bereits die Anwendung der Vorschrift zweifelhaft. Denn aus dem Wortlaut der Regelung habe sich ergeben, dass diese Vorschrift auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen ausgerichtet sei. Die Aufzeichnung aus einem fahrenden Fahrzeug werde dagegen nicht erfasst, da die Öffentlichkeit dabei schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden könne. Selbst ein Verstoß gegen die Regelung führe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da ein solches Verbot in Zivilverfahren das BDSG nicht regle.
§ 22 Satz 1 des Kunsturhebergesetzes (KUG) habe ebenfalls nicht der Verwertung der Aufzeichnungen entgegengestanden, so das Amtsgericht. Die Vorschrift gewähre nur einen Schutz gegen die unzulässige Verbreitung oder öffentlichen Zuschaustellung von Bildern. Nach § 24 KUG dürfen aber Bilder ohne Einwilligung des Betroffenen öffentlich zu Schau gestellt werden, wenn dies der Rechtspflege dient. Davon umfasst sei die Inaugenscheinnahme von Aufzeichnungen im Rahmen eines Schadenersatzprozesses. Zudem enthalte auf das KUG kein ausdrückliches Verwertungsverbot. Darüber hinaus sei die Anfertigung von Fotos nach dem Unfall zu Zwecken der Beweissicherung unproblematisch. Nichts anderes müsse für Videoaufzeichnungen gelten.
Zwar könne nach Auffassung des Amtsgerichts die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Unzulässigkeit der Verwertung der Videoaufzeichnungen rechtfertigen. In Betracht sei insofern nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Beklagten gekommen. Eine Persönlichkeitsverletzung von unbeteiligten Personen, die als Passanten oder sonstige Verkehrsteilnehmer mitgefilmt werden, sei schon fraglich. Denn aufgrund der Anonymität der Personen liege ein nur geringer Eingriff vor. Außerdem fertigen Sachverständige regemäßig Aufzeichnungen vom Unfallbereich an, auf denen unbeteiligte Personen zu sehen seien. Das Abspielen dieser Aufzeichnungen sei bisher nicht beanstandet worden.
Das insofern in Betracht kommende Persönlichkeitsrecht des Beklagten habe nach Überzeugung des Amtsgerichts hinter das Interesse des Klägers an der Aufklärung des Unfallgeschehens zurücktreten müssen. Nachdem der Unfallhergang vom Beklagten anders geschildert wurde, Zeugenaussagen nur bedingt den Unfallhergang haben aufklären haben können und auch der Sachverständige keine sicheren Angaben habe machen können, habe der Kläger ein erhebliches und legitimes Interesse an der Verwertung der Dash-Cam-Aufzeichnungen zugestanden, um sein Schadenersatzanspruch durchzusetzen. Hinzu sei gekommen, dass die Videoaufzeichnungen ebenso dazu gedient haben, dem Gericht ein mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.10.2015
Quelle: Amtsgericht Nürnberg, ra-online (vt/rb)