Im vorliegenden Fall hatte ein Fahrzeugführer eine Werkstatt auf Schadensersatz verklagt, nachdem sich ein zuvor montierter Winterreifen während der Fahrt löste und es dadurch zu Schäden am Fahrzeug kam. In seiner Begründung führte der Mann an, die Werksatt habe das Rad nicht ordnungsgemäß und fachgerecht befestigt. Das Rad habe sich schließlich ohne jede Vorwarnung gelöst. Der Kläger war der Auffassung, auf eine Notwendigkeit des Schraubennachziehens nach dem Reifenwechsel nicht ausdrücklich hingewiesen worden zu sein.
Die Werkstatt entgegnete, sie habe dem Kunden auf der ausgestellten Rechnung mit dem Aufdruck "Radschrauben nach 50-100 km nachziehen!" einen Sicherheitshinweis gegeben. Zudem führte die Werksatt an, den Reifenwechsel ordnungsgemäß und technisch korrekt durchgeführt zu haben. Das allmähliche Lösen von Radbolzen könne durch unterschiedliche technische Gründe verursacht werden und könne nach längerem Fahrzeuggebrauch nicht ausgeschlossen werden. Jedoch würde sich dies durch deutliche Geräusche und ein verändertes Fahrverhalten ankündigen. Dies habe der Mann nach Ansicht der Werksatt aufgrund seiner Lebenserfahrung wissen müssen. Der Kläger stritt ab, dass sich das Lösen des Rades in irgendeiner Form angekündigt habe. Auch sehe er in dem Aufdruck auf der Rechnung keinen für ihn ausreichenden Hinweis.
Das Landgericht Heidelberg gab der Klage des Kunden statt. Die Werksatt war verpflichtet, den Mann auf die Notwendigkeit des Nachziehens der Bolzen hinzuweisen (§§ 631, 241 Abs. 2 BGB). Die Werkstatt habe nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich individuell nach dem Beratungsbedarf des Kunden und dem Fachwissen des Unternehmers richteten. Der durchschnittliche Kunde erwarte, dass sich ordnungsgemäß befestigte Räder nicht ablösen könnten.
Der Aufdruck auf der Rechnung genüge nicht als Hinweis. Dieser müsse viel mehr mündlich erteilt werden oder ihm auf eine Art zugänglich gemacht werden, nach der der Kunde unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen könne. Bei Prüfung der Rechnung achte er jedoch vor allem auf die aufgeführte erbrachte Leistung und den zu zahlenden Betrag. Für ein Weiterlesen der Rechnung bestehe kein Grund.
Wenn ein Kunde eine Rechnung unterschreibe, müsse er alles lesen, worauf sich seine Unterschrift beziehe. Das sei aber auch alles. Der Kunde prüfe, was oberhalb seiner Unterschrift stehe, also z.B. den Abbuchungsbetrag. Anlass weiterzulesen, bestehe dagegen nicht, führte das Landgericht aus. Ein Kunde habe nach Abschluss des Zahlungsvorgangs keinen Anlass, sich die Rechnung weiter näher anzuschauen. Es könne dem Kläger daher nicht vorgeworfen werden, dass er den Hinweis übersehen habe. Dieser habe sich in einer Folgezeile befunden, die optisch nicht derart hervorgehoben worden sei, dass sei bereits beim Prüfen und Unterschreiben der Rechnung bzw. Abbuchungsermächtigung hätte ins Auge springen müssen. Auch ein farbliche Hervorhebung habe es nicht gegeben.
Die festgestellte Mitschuld des Fahrers liege jedoch in dem Umstand, dass nach Sachverständigenmeinung Veränderungen im Fahrverhalten des Fahrzeugs, die das allmähliche Lösen der Bolzen begleiten würden, für einen aufmerksamen Fahrer ohne weiteres wahrnehmbar seien. Vibrationen oder Schlagen des Lenkrads sowie schwammiges Fahrverhalten seien typische Anzeichen. Dass sich ein Rad ohne Vorankündigung löse, sei technisch unmöglich. Der Kläger hätte in diesem Fall das Fahrzeug sofort zur Kontrolle in eine Werkstatt bringen müssen.
Das Landgericht verurteilte die Werkstatt 70 % des Schadens zu tragen und rechnete dem Autofahrer einen Mitverschuldensanteil von 30 % zu (§ 254 Abs. 1 BGB).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.11.2011
Quelle: Landgericht Heidelberg, ra-online (vt/st)