21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht Heidelberg Urteil27.07.2011

Reifenwechsel: Autowerkstatt muss deutlich auf Erfordernis des Schrau­ben­nach­ziehens hinweisenHinweis kann mündlich erfolgen oder aber unter bestimmten, strengen Voraussetzungen auf der Rechnung - Einfacher Hinweis auf Rechnung genügt nicht

Kfz-Werkstätten müssen nach einem erfolgten Reifenwechsel deutlich auf die Notwendigkeit hinweisen, die Befes­ti­gungs­bolzen der Räder nach 50-100 Kilometern nachzuziehen. Dabei genügt ein Hinweis auf der Rechnung, der sich unterhalb der Unterschrift des Kunden befindet, nicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Heidelberg hervor.

Im vorliegenden Fall hatte ein Fahrzeugführer eine Werkstatt auf Schadensersatz verklagt, nachdem sich ein zuvor montierter Winterreifen während der Fahrt löste und es dadurch zu Schäden am Fahrzeug kam. In seiner Begründung führte der Mann an, die Werksatt habe das Rad nicht ordnungsgemäß und fachgerecht befestigt. Das Rad habe sich schließlich ohne jede Vorwarnung gelöst. Der Kläger war der Auffassung, auf eine Notwendigkeit des Schrau­ben­nach­ziehens nach dem Reifenwechsel nicht ausdrücklich hingewiesen worden zu sein.

Werkstatt: Hinweis ist durch Aufdruck auf der Kundenrechung erfolgt

Die Werkstatt entgegnete, sie habe dem Kunden auf der ausgestellten Rechnung mit dem Aufdruck "Radschrauben nach 50-100 km nachziehen!" einen Sicherheitshinweis gegeben. Zudem führte die Werksatt an, den Reifenwechsel ordnungsgemäß und technisch korrekt durchgeführt zu haben. Das allmähliche Lösen von Radbolzen könne durch unter­schiedliche technische Gründe verursacht werden und könne nach längerem Fahrzeug­ge­brauch nicht ausgeschlossen werden. Jedoch würde sich dies durch deutliche Geräusche und ein verändertes Fahrverhalten ankündigen. Dies habe der Mann nach Ansicht der Werksatt aufgrund seiner Lebenserfahrung wissen müssen. Der Kläger stritt ab, dass sich das Lösen des Rades in irgendeiner Form angekündigt habe. Auch sehe er in dem Aufdruck auf der Rechnung keinen für ihn ausreichenden Hinweis.

Werkstatt ist Aufklärungs- und Beratungs­pflicht nicht ausreichend nachgekommen

Das Landgericht Heidelberg gab der Klage des Kunden statt. Die Werksatt war verpflichtet, den Mann auf die Notwendigkeit des Nachziehens der Bolzen hinzuweisen (§§ 631, 241 Abs. 2 BGB). Die Werkstatt habe neben­ver­tragliche Aufklärungs- und Beratungs­pflichten, die sich individuell nach dem Beratungsbedarf des Kunden und dem Fachwissen des Unternehmers richteten. Der durch­schnittliche Kunde erwarte, dass sich ordnungsgemäß befestigte Räder nicht ablösen könnten.

Hinweis auf Schrau­ben­nach­ziehen muss mündlich erteilt werden

Der Aufdruck auf der Rechnung genüge nicht als Hinweis. Dieser müsse viel mehr mündlich erteilt werden oder ihm auf eine Art zugänglich gemacht werden, nach der der Kunde unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen könne. Bei Prüfung der Rechnung achte er jedoch vor allem auf die aufgeführte erbrachte Leistung und den zu zahlenden Betrag. Für ein Weiterlesen der Rechnung bestehe kein Grund.

Hinweis unterhalb der Unterschrift reicht nicht aus

Wenn ein Kunde eine Rechnung unterschreibe, müsse er alles lesen, worauf sich seine Unterschrift beziehe. Das sei aber auch alles. Der Kunde prüfe, was oberhalb seiner Unterschrift stehe, also z.B. den Abbuchungs­betrag. Anlass weiterzulesen, bestehe dagegen nicht, führte das Landgericht aus. Ein Kunde habe nach Abschluss des Zahlungs­vorgangs keinen Anlass, sich die Rechnung weiter näher anzuschauen. Es könne dem Kläger daher nicht vorgeworfen werden, dass er den Hinweis übersehen habe. Dieser habe sich in einer Folgezeile befunden, die optisch nicht derart hervorgehoben worden sei, dass sei bereits beim Prüfen und Unterschreiben der Rechnung bzw. Abbuchungs­er­mäch­tigung hätte ins Auge springen müssen. Auch ein farbliche Hervorhebung habe es nicht gegeben.

Fahrzeugführer trifft Mitschuld, da sich Lösen der Bolzen stets ankündigt

Die festgestellte Mitschuld des Fahrers liege jedoch in dem Umstand, dass nach Sachver­stän­di­gen­meinung Veränderungen im Fahrverhalten des Fahrzeugs, die das allmähliche Lösen der Bolzen begleiten würden, für einen aufmerksamen Fahrer ohne weiteres wahrnehmbar seien. Vibrationen oder Schlagen des Lenkrads sowie schwammiges Fahrverhalten seien typische Anzeichen. Dass sich ein Rad ohne Vorankündigung löse, sei technisch unmöglich. Der Kläger hätte in diesem Fall das Fahrzeug sofort zur Kontrolle in eine Werkstatt bringen müssen.

Das Landgericht verurteilte die Werkstatt 70 % des Schadens zu tragen und rechnete dem Autofahrer einen Mitver­schul­den­santeil von 30 % zu (§ 254 Abs. 1 BGB).

Quelle: Landgericht Heidelberg, ra-online (vt/st)

der Leitsatz

§§ 280 Abs. 1, 276, 249 BGB

1. Nach einem Reifenwechsel muss eine Autowerkstatt den Kunden deutlich auf die Notwendigkeit des Schrau­ben­nach­ziehens nach 50 bis 100 Kilometern hinweisen.

2. Dieser Hinweis kann mündlich erfolgen oder unter bestimmten Voraussetzungen auf der Rechnung.

3. Erfolgt der Hinweis auf der Rechnung, so muss er dem Kunden unmittelbar ins Auge springen. Ein Hinweis im Kleingedruckten unterhalb der Unterschrift des Kunden auf der Rechnung reicht nicht aus. Der Kunde hat keinen Anlass Hinweise, die sich unterhalb seiner Unterschrift befinden, zu lesen.

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