Dokument-Nr. 22620
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- NJW-RR 2017, 36Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 36
Landgericht Hamburg Beschluss17.05.2016
Gedicht "Schmähkritik": Unzulässige Satire bei schmähender und ehrverletzender EinkleidungErdogan muss schmähende und ehrverletzende Aussagen nicht hinnehmen - LG Hamburg erlässt einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann
Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann erlassen.
Gegenstand des Antrags sind die als Gedicht unter dem Titel "Schmähkritik" dargebotenen Äußerungen Böhmermanns aus der Sendung "Neo Magazin Royale" vom 31. März 2016. Mit seiner Entscheidung hat das Gericht dem Antrag teilweise stattgegeben und Böhmermann die Äußerung bestimmter Passagen des Gedichts untersagt, die Erdogan angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen muss. Hinsichtlich der übrigen Teile des Gedichts hat das Gericht den Antrag Erdogans zurückgewiesen.
Satire Kritik findet bei reiner Schmähung oder Angriff der Menschenwürde ihre Grenze
Der Entscheidung liegt eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zugrunde. Als Satire vermittle das angegriffene Gedicht ein Zerrbild von der Wirklichkeit, mit der sich der Antragsgegner mithilfe des Gedichts auseinandersetze. Bei dieser Kunstform, der Übertreibungen und Verzerrungen wesenseigen seien, müsse für die rechtliche Beurteilung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand, der Einkleidung, unterschieden werden. Zudem seien die konkrete Präsentation und der Zusammenhang zu berücksichtigen, in den das Gedicht gestellt worden sei. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handele bzw. die Menschenwürde angetastet werde.
Satire berechtigt nicht zur völligen Missachtung der Rechte Erdogans
Diese Grenze sei nach Auffassung des Landgerichts durch bestimmte Passagen des Gedichts überschritten worden, die schmähend und ehrverletzend seien. Zwar gelte für die Einkleidung eines satirischen Beitrages ein großzügiger Maßstab, dieser berechtige aber nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß.
Staatsoberhaupt muss sich auch harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen
Die übrigen Teile setzten sich dagegen in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Der Antragsgegner trage als Staatsoberhaupt politische Verantwortung und müsse sich aufgrund seines öffentlichen Wirkens selbst harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass der Antragsgegner sich in satirischer Form über den Umgang des Antragstellers mit der Meinungsfreiheit lustig mache.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.05.2016
Quelle: Landgericht Hamburg/ra-online
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