18.10.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 30205

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil29.04.2021

Neckermann Geschäftsführer und Aufsichtsräte haften nicht für Zahlungen vor Insolvenz­antrag­stellungKlage eines Insol­venz­ver­walters erfolglos

Das Landgericht Frankfurt am Main hat eine Klage des Insol­venz­ver­walters des ehemaligen Neckermann-Konzerns gegen vormalige Geschäftsführer und Aufsichtsräte abgewiesen. Gegenstand der Klage waren Zahlungen über rund 19 Mio. Euro. Diese hatte Neckermann zu einem Zeitpunkt getätigt, als das Unternehmen in einer finanziellen Schieflage war, die Geschäfts­führung einen Insolvenzantrag aber noch nicht gestellt hatte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Trotz mehrerer Restruk­tu­rie­rungs­maß­nahmen befand sich Neckermann zu Beginn des Jahres 2012 in einer schlechten wirtschaft­lichen Lage. Das Unternehmen war zwar nicht zahlungsunfähig, jedoch seit März 2012 bilanziell überschuldet. Absehbar fehlten ab Jahresende 2012 liquide Mittel in zweistelliger Millionenhöhe. Ab Frühjahr 2012 führte die Geschäfts­führung intensive Verhandlungen mit dem Allein­ge­sell­schafter als Geldgeber. Er forderte unter anderem den Abbau von knapp 1.400 Arbeitsplätzen ohne Abfindung. Da die Arbeits­neh­merseite dem nicht zustimmte, stellte die Geschäfts­führung von Neckermann am 23. Mai 2012 das Scheitern der Verhandlungen mit dem Betriebsrat fest.

Insol­venz­ver­walter: Insolvenzreife lag bereit bereits Ende Mai vor

In der Folgezeit wurden die Verhandlungen gleichwohl zwischen dem Betriebsrat und Neckermann fortgeführt. Es wurde unter anderem ein geänderter Sozialplan entworfen. Die Geldgeber äußerten sich zwar zunächst positiv, lehnten es aber am 18. Juli 2012 endgültig ab, Neckermann weiteres Kapital zu geben. Am selben Tag stellte die Geschäfts­führung einen Insolvenzantrag. Das Insol­venz­ver­fahren wurde eröffnet. Bis Juli 2012 hatte Neckermann seine Geschäft­s­tä­tigkeit fortgesetzt und Ausgaben getätigt. Im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat der Insolvenzverwalter die Ansicht vertreten, die ehemaligen Geschäftsführer des Unternehmens hätten Zahlungen von rund 19 Mio. Euro nach dem 23. Mai 2012 nicht veranlassen dürfen, weil bereits Insolvenzreife vorgelegen habe.

LG: Zahlungen bis zur Insol­ven­z­an­trag­stellung nicht zu beanstanden

Das Landgericht Frankfurt am Main hat entschieden: „Die Zahlungen ab Mai 2012 bis zur Insol­ven­z­an­trag­stellung sind nicht zu beanstanden, da seinerzeit die begründete Annahme bestand, dass Neckermann fortbestehen könne (sog. positive Fortfüh­rungs­prognose). Denn auch wenn im Mai 2012 das Scheitern der Gespräche mit den Betriebsräten verkündet worden war, wurden die Verhandlungen mit den Geldgebern unter Beteiligung der Arbeit­neh­merseite ernsthaft fortgesetzt. Die ehemaligen Geschäftsführer erstellten ein für die Gesellschaft aussa­ge­kräftiges und plausibles Unter­neh­mens­konzept und darauf aufbauend einen tragfähigen Finanzplan. Die Sanierung von Neckermann war aus damaliger Sicht Erfolg versprechend.“

Fortfüh­rungs­prognose im Zeitraum der beanstandeten Zahlungen positiv

Darüber hinaus stellte das LG fest, die Zahlungen von rund 19 Mio. Euro seien nicht schuldhaft erfolgt, denn die Geschäfts­führung habe durchweg externen arbeits- und insol­venz­recht­lichen Rat eingeholt: „Die Geschäftsführer haben unter Inanspruchnahme sach- und fachkundiger Expertenhilfe auf die richtige Art und Weise ein plausibles Sanie­rungs­konzept erarbeitet, welches mit sach- und fachkundiger Unterstützung laufend überprüft und angepasst wurde.“ Auch die ehemaligen Aufsichtsräte hafteten nicht, so das LG. Sie hätten ihre Überwa­chungs­pflichten nicht verletzt. Da die Fortfüh­rungs­prognose im Zeitraum der beanstandeten Zahlungen positiv gewesen sei, hätten die Aufsichtsräte nicht darauf hinwirken müssen, dass die Geschäfts­führung einen Insolvenzantrag stellt.

Ansprüche bereits verjährt

Schließlich haben die Richter die Klage auch deswegen abgewiesen, weil Ansprüche gegenüber den ehemaligen Geschäfts­führern und mehreren vormaligen Aufsichtsräten von Neckermann verjährt seien.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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