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Landgericht Düsseldorf Urteil22.12.2021
Unwirksame Bank-AGB: Landgericht Düsseldorf kippt Strafzinsen auf Girokonten mit KontoführungsgebührVerwahrentgelt zusätzlich zu Kontogebühren unvereinbar mit gesetzlichen Regelungen zum Girovertrag
Das Landgericht Düsseldorf hat der Volksbank Rhein-Lippe untersagt, in ihren Giroverträgen mit Verbrauchern ein Verwahrentgelt von ,5 Prozent Zinsen pro Jahr für Einlagen von mehr als 10.000 Euro zu vereinbaren oder sich auf eine entsprechende Klausel zu berufen. Die entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank erklärte das Gericht für unwirksam, da sie Verbraucher unangemessen benachteilige. Sie sei mit dem Grundgedanken der auf den Girovertrag anwendbaren Regelungen unvereinbar. Nach dem Gesetz gibt es keinen Anspruch auf ein Verwahrentgelt neben einer Kontoführungsgebühr.
Mit der Entscheidung gab das Landgericht dem vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.) Recht, der beantragt hatte, der Volksbank die entsprechende Verwahrentgeltklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu untersagen. Die Klausel, so das Gericht, ist mit dem Leitbild der gesetzlichen Regelungen unvereinbar, wonach das Girokonto ein auf Guthabenbasis geführtes Zahlungsdienstekonto ist.
Klausel über Strafzinsen unterliegt richterlicher Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB
Bei der Verwahrentgeltklausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) unterliegt. Mit ihr bestimmt die Bank weder unmittelbar den Preis für eine Hauptleistung noch ein Entgelt für eine angebotene Sonderleistung. Es wird keine Leistung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht, sondern dem Kunden sollen allgemeine Betriebskosten der Bank und ihr Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten aufgebürdet werden.
Strafzinsen als unzulässige Preisnebenabrede
Das Landgericht wertet die Klausel als Preisnebenabrede. Es handele sich bei der Verwahrung des Guthabens auf dem Girokonto gerade nicht um eine Hauptleistung der Bank. Hauptleistungspflichten der Bank sind die von ihr zu erbringenden Zahlungsdienste. Die Verwahrung des Guthabens macht diese Dienste erst möglich und stellt somit eine notwendige Nebenleistung zur Erfüllung der Hauptleistung (also der Zahlungsdienste) dar. Sie ist deshalb auch keine zusätzliche angebotene Sonderleistung, die der Kunde gesondert vereinbaren kann oder nicht. Die Verwahrung des Guthabens ist dem Girovertrag vielmehr immanent. Ein Girokonto kann nicht ohne Verwahrfunktion angeboten werden.
Verwahrentgelt ist kein gesetzlich gemäß § 675 f BGB zulässiges Entgelt
Wird nun in dem Girovertrag für die Verwahrung des Guthabens ein zusätzliches Entgelt neben einer ohnehin bestehenden Kontoführungsgebühr vereinbart, so stellt dies einen Eingriff in nicht unerheblichem Maß in die rechtlich geschützten Interessen der Bankkunden dar. Denn gemäß § 675 f Absatz 5 Satz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat die Bank nur dann Anspruch auf ein Entgelt, "sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstenutzer und dem Zahlungsdiensteleister vereinbart worden ist".
Die entsprechend dieser Vorschrift zugelassenen Zahlungsdienste, für die ein Entgelt verlangt werden darf, sind im ZAG (Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten) bzw. ZKG (Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen) definiert. Ein Verwahrentgelt ist dort jedoch nicht vorgesehen. Bereits aus diesem Grund ist demnach ein zusätzliches Entgelt für die Guthabenverwahrung unzulässig.
Verbraucher durch doppelte Zahlungspflicht für gleiche Leistung benachteiligt
Das Landgericht führt weiter aus, dass in dem streitgegenständlichen Girovertrag bereits vereinbart sei, dass die Bank für ihre Hauptleistungspflichten (d.h. die von ihr erbrachten Zahlungsdienste) als Gegenleistung die Kontoführungsgebühren der Kunden erhalte. Ein darüber hinaus erhobenes Verwahrentgelt würde bedeuten, dass die Kunden für eine einheitliche Leistung eine doppelte Gegenleistung entrichten müssen.
Gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Leipzig betraf kostenloses Girokonto
Dies unterscheidet das Urteil des Landgerichts Düsseldorf von einer Entscheidung des Landgerichts Leipzig, das die Strafzinsklausel einer Sparkasse für Girokonten, für die keine Kontoführungsgebühr erhoben wurde, für zulässig erklärt hatte (Landgericht Leipzig, Urteil vom 08.07.2021, Az. 5 O 640/20).
Bank verhielt sich widersprüchlich
Auch dass die Strafzinsen in dem vorliegenden Fall nur für Guthaben ab einem Freibetrag von über 10.000 Euro erhoben wurden, änderte nichts an der Wertung des Gerichts, dass die Klausel Bankkunden unangemessen benachteilige. Diesbezüglich argumentiere die Bank widersprüchlich, so das Landgericht. Einerseits habe die Volksbank die Ansicht vertreten, dass die Verwahrung des Guthabens eine Hauptleistung des Girovertrags darstelle, andererseits aber vorgetragen, dass ein Girokonto - anders als ein Sparkonto - gar nicht für die Verwahrung größerer Beträge gedacht sei.
Schließlich habe die Bank auch den angeblich höheren Verwahraufwand, mit dem sie die Strafzinsen ebenfalls rechtfertigte, nicht ausreichend dargelegt. Sie habe nicht vorgetragen, weshalb es für sie einen größeren Aufwand darstelle, größere Guthaben von mehr als 10.000 Euro zu verwahren, als dies bei kleineren Guthaben der Fall sei.
Auch die von der Volksbank vertretene Ansicht, dass es sich bei den von ihr verwendeten Klauseln gar nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, die der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, sondern dass die Klauseln mit den Bankkunden jeweils individuell ausgehandelt worden seien, führte nicht zu einer anderen Entscheidung des Landgerichts. Streitgegenständlich sei nämlich nicht die Frage der wirksamen Vereinbarung der Klausel gewesen, sondern deren inhaltliche Unwirksamkeit. Der Umstand einer etwaigen - wenn auch nach Ansicht des Gerichts unwahrscheinlichen - individuellen Vereinbarung der Klausel heile diese nicht.
Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig und kann in der 2. Instanz aufgehoben werden. Die Volksbank hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sollte das Urteil jedoch Bestand haben, so können Kunden, die aufgrund der streitgegenständlichen Klausel in der Vergangenheit unzulässige Strafzinsen an die Volksbank bezahlt haben, diese zurückverlangen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2022
Quelle: Landgericht Düsseldorf, ra-online (vt/we)
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