Dokument-Nr. 5063
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- Amtsgericht Coburg, Urteil18.04.2007, 1 C 465/06
- Kinder müssen ihr Vermögen nicht für Pflegekosten der Eltern einsetzen - BGH zum ElternunterhaltBundesgerichtshof, Urteil30.08.2006, XII ZR 98/04
- Kinder sind ihren Eltern gegenüber nur eingeschränkt unterhaltspflichtigBundesverfassungsgericht, Urteil07.06.2005, 1 BvR 1508/96
- Haftung des Beschenkten für PflegeheimkostenLandgericht München I, Urteil04.08.2004, 9 O 122/04
Landgericht Coburg Beschluss16.10.2007
Abwälzung der Heimkosten auf öffentliche Hand sittenwidrigZur Frage, ob man in einem Altenteilsvertrag die Kosten einer späteren Heimunterbringung des Übergebers wirksam auf die Sozialhilfe abwälzen kann
Wird in einem Altenteilsvertrag (Vermögensübertragung gegen Leibgeding, also z.B. Gewährung von Wohnung, Wart und Pflege durch den Übernehmer) eine Regelung getroffen, die für den Fall der Heimunterbringung des Übergebers die Pflichten des Übernehmers gezielt zum Nachteil des Sozialhilferträgers ausschließt, ist das sittenwidrig. Der Übernehmer kann dann trotz der Vertragsklausel von der Sozialverwaltung in Regress genommen werden. Das geht aus Entscheidungen des Amts- und Landgerichts Coburg hervor. Diese verurteilten einen Sohn, dem der Vater Wohnhaus und Betrieb übertragen hatte, zur Erstattung von Heimkosten von insgesamt knapp 4.000 €. Die Regelung, dass die Pflichten aus dem Leibgeding bei Heimunterbringung des Vaters entfallen, verkehre den Subsidiaritätsgrundsatz des Sozialhilferechts bewusst in sein Gegenteil und sei unwirksam.
Im Jahre 1992 übertrug der Vater Grundbesitz und Gewerbebetrieb an seinen Sohn. Der verpflichtete sich im Gegenzug, seinem Vater eine umfassende lebenslange Altersversorgung (Wohnung, Verköstigung, häusliche Dienste, Pflege, Taschengeld) zu gewähren. Diese Verpflichtung sollte jedoch entfallen, wenn der Vater in ein Pflegeheim musste - was 2005 der Fall war. Die Sozialverwaltung des Bezirks Oberfranken hatte teilweise für die Heimkosten aufzukommen und verlangte anschließend vom Sohn Erstattung von fast 4.000 €. Denn der müsse die Naturalleistungen, die er für den Vater nun nicht mehr erbringen könne, abgelten.
Keine Abwälzung der Heimkosten auf den Sozialhilfeträger
Amts- und Landgericht Coburg gaben der öffentlichen Hand Recht. Zwar könnten die Vertragsparteien einen Überlassungsvertrag nach ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen gestalten. Die Abrede über den Wegfall der Gegenleistungen für den Fall, dass die Unterbringung des Übergebers in einem Pflegeheim erforderlich wird, sei hier aber eine nicht hinnehmbare gezielte wirtschaftliche Belastung des Sozialhilfeträgers. Es sei schon bei Vertragsschluss abzusehen gewesen, dass der Vater einen Heimaufenthalt nicht mehr würde finanzieren können, und das Risiko der dadurch bedingten Bedürftigkeit des Übergebers bewusst "sozialisiert" worden. Ein Handeln mit dieser Motivation sei unzulässig. Der Sohn bleibe daher aus dem Leibgeding verpflichtet und müsse laut Gesetz dem Vater die Naturalien "in cash" abgelten. Und diesen Anspruch des Vaters habe der Bezirk wirksam auf sich übergeleitet.
Zur Rechtslage
Der bayerische Gesetzgeber (ebenso wie andere Landesgesetzgeber) hat für die Fälle, in denen der aus einem Leibgeding Berechtigte die Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann, festgelegt, dass der von seiner Pflicht Befreite eine finanzielle Abgeltung zu zahlen hat. Die eigentlich geschuldeten Leistungen müssen dann bewertet und die sich ergebenden Beträge an den Berechtigten bezahlt werden. Diese Abgeltung kann zwar im Leibgedingsvertrag grundsätzlich ausgeschlossen werden; sofern der Ausschluss aber als sittenwidrig erachtet wird, ist er nach § 138 BGB nichtig und damit unwirksam.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 18 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze
(BayAGBGB): Geldrente
1 Muß der Berechtigte aus besonderen Gründen das Grundstück auf Dauer verlassen, so hat der Verpflichtete ihm für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen eine Geldrente zu zahlen, die dem Wert der Befreiung nach billigem Ermessen entspricht. 2 Für andere Leistungen, die für den Berechtigten wegen seiner Abwesenheit von dem Grundstück ohne Interesse sind, hat der Verpflichtete den Wert zu vergüten, den sie für den Berechtigten auf dem Grundstück haben.
§ 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) ...
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.10.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Coburg vom 26.10.2007
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