21.11.2024
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Landgericht Coburg Beschluss16.10.2007

Abwälzung der Heimkosten auf öffentliche Hand sittenwidrigZur Frage, ob man in einem Alten­teils­vertrag die Kosten einer späteren Heimun­ter­bringung des Übergebers wirksam auf die Sozialhilfe abwälzen kann

Wird in einem Alten­teils­vertrag (Vermö­gens­über­tragung gegen Leibgeding, also z.B. Gewährung von Wohnung, Wart und Pflege durch den Übernehmer) eine Regelung getroffen, die für den Fall der Heimun­ter­bringung des Übergebers die Pflichten des Übernehmers gezielt zum Nachteil des Sozia­l­hil­fer­trägers ausschließt, ist das sittenwidrig. Der Übernehmer kann dann trotz der Vertragsklausel von der Sozia­l­ver­waltung in Regress genommen werden. Das geht aus Entscheidungen des Amts- und Landgerichts Coburg hervor. Diese verurteilten einen Sohn, dem der Vater Wohnhaus und Betrieb übertragen hatte, zur Erstattung von Heimkosten von insgesamt knapp 4.000 €. Die Regelung, dass die Pflichten aus dem Leibgeding bei Heimun­ter­bringung des Vaters entfallen, verkehre den Subsi­dia­ri­täts­grundsatz des Sozia­l­hil­fe­rechts bewusst in sein Gegenteil und sei unwirksam.

Im Jahre 1992 übertrug der Vater Grundbesitz und Gewerbebetrieb an seinen Sohn. Der verpflichtete sich im Gegenzug, seinem Vater eine umfassende lebenslange Alters­ver­sorgung (Wohnung, Verköstigung, häusliche Dienste, Pflege, Taschengeld) zu gewähren. Diese Verpflichtung sollte jedoch entfallen, wenn der Vater in ein Pflegeheim musste - was 2005 der Fall war. Die Sozia­l­ver­waltung des Bezirks Oberfranken hatte teilweise für die Heimkosten aufzukommen und verlangte anschließend vom Sohn Erstattung von fast 4.000 €. Denn der müsse die Natura­l­leis­tungen, die er für den Vater nun nicht mehr erbringen könne, abgelten.

Keine Abwälzung der Heimkosten auf den Sozia­l­hil­fe­träger

Amts- und Landgericht Coburg gaben der öffentlichen Hand Recht. Zwar könnten die Vertrags­parteien einen Überlas­sungs­vertrag nach ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen gestalten. Die Abrede über den Wegfall der Gegenleistungen für den Fall, dass die Unterbringung des Übergebers in einem Pflegeheim erforderlich wird, sei hier aber eine nicht hinnehmbare gezielte wirtschaftliche Belastung des Sozia­l­hil­fe­trägers. Es sei schon bei Vertragsschluss abzusehen gewesen, dass der Vater einen Heimaufenthalt nicht mehr würde finanzieren können, und das Risiko der dadurch bedingten Bedürftigkeit des Übergebers bewusst "sozialisiert" worden. Ein Handeln mit dieser Motivation sei unzulässig. Der Sohn bleibe daher aus dem Leibgeding verpflichtet und müsse laut Gesetz dem Vater die Naturalien "in cash" abgelten. Und diesen Anspruch des Vaters habe der Bezirk wirksam auf sich übergeleitet.

Zur Rechtslage

Der bayerische Gesetzgeber (ebenso wie andere Landes­ge­setzgeber) hat für die Fälle, in denen der aus einem Leibgeding Berechtigte die Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann, festgelegt, dass der von seiner Pflicht Befreite eine finanzielle Abgeltung zu zahlen hat. Die eigentlich geschuldeten Leistungen müssen dann bewertet und die sich ergebenden Beträge an den Berechtigten bezahlt werden. Diese Abgeltung kann zwar im Leibge­dings­vertrag grundsätzlich ausgeschlossen werden; sofern der Ausschluss aber als sittenwidrig erachtet wird, ist er nach § 138 BGB nichtig und damit unwirksam.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 18 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze

(BayAGBGB): Geldrente

1 Muß der Berechtigte aus besonderen Gründen das Grundstück auf Dauer verlassen, so hat der Verpflichtete ihm für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienst­leis­tungen eine Geldrente zu zahlen, die dem Wert der Befreiung nach billigem Ermessen entspricht. 2 Für andere Leistungen, die für den Berechtigten wegen seiner Abwesenheit von dem Grundstück ohne Interesse sind, hat der Verpflichtete den Wert zu vergüten, den sie für den Berechtigten auf dem Grundstück haben.

§ 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) ...

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Coburg vom 26.10.2007

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