Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil22.06.2011
LAG Schleswig-Holstein: Kündigung eines Ingenieurs aus vorgeschobenen Sicherheitsgründen wegen Hochzeit mit Chinesin sittenwidrigArbeitgeber missbraucht Kündigungsrecht für willkürliche Vorgehensweise unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit
Eine Kündigung, die wegen der Eheschließung eines Arbeitnehmers mit einer chinesischen Staatsangehörigen ausgesprochen wurde, verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Sie hält nicht das notwendige „ethische Minimum“ ein und ist sittenwidrig, wenn der Arbeitgeber jahrelang die langjährige Beziehung zu einer in China lebenden Chinesin nicht als sicherheitsrelevant einordnet, den Leiharbeitnehmer dann in Kenntnis der Hochzeit abwirbt und ihm kurz darauf kündigt, obwohl sich nichts verändert hat. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.
Der 47-jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist Ingenieur und war seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei der auch die Bundeswehr beliefernden Arbeitgeberin eingesetzt. Seit 2007 fuhr er regelmäßig nach China zu seiner dort lebenden heutigen Ehefrau. Sie hat die chinesische Staatsangehörigkeit. Vorher kontaktierte er jedes Mal die Sicherheitsbeauftragte, die zu keinem Zeitpunkt Bedenken äußerte. Ende 2009 bot die Arbeitgeberin ihm eine direkte Festanstellung an. Angesichts der für Dezember 2009 in China geplanten Hochzeit einigte man sich auf den Beginn der Festanstellung ab 1. Februar 2010. Schon am 5. März 2010 stellte die Arbeitgeberin den abgeworbenen Ingenieur unvermittelt frei. Zur Begründung gab die Arbeitgeberin an, dass der Ingenieur durch seine Ehefrau und die familiären Beziehungen zu China ein Sicherheitsrisiko sei. Kurz danach nahm sie eine Neueinstellung als Ersatz für den Kläger vor. Dem Betriebsrat gelang es in der Folgezeit nicht, die Freistellung rückgängig zu machen und die Kündigung zu verhindern. Im Juni, rechtzeitig bevor das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kam die Kündigung, gegenüber dem Betriebsrat nunmehr gestützt auf „betriebsbedingte Gründe“.
Arbeitsgericht hält Kündigung aus Sicherheitsgründen für gerechtfertigt
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass keine Gesetzesverstöße vorlägen. Die Arbeitgeberin habe subjektiv an Befürchtungen einer möglichen Industriespionage angeknüpft. Das reiche als Rechtfertigung für diese Kündigung aus.
Das sah das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts und des wahren Kündigungsgrunds anders. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig. Die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben habe und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert habe, sei die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich. Der Kläger sei nur durch eine andere Arbeitskraft ausgetauscht worden. Der Kündigungsentschluss habe schon bei der Freistellung bestanden, was der Betriebsrat auch bestätigt habe. Der angeführte betriebsbedingte Kündigungsgrund sei daher nur vorgeschoben. Die Kündigung verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Die Beklagte habe den Kläger willkürlich zu ihrem Spielball gemacht.
Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst
Das Arbeitsverhältnis ist schließlich vor dem Landesarbeitsgericht auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung von sieben Monatsgehältern aufgelöst worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.08.2011
Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein/ra-online