23.11.2024
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil27.09.2006

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Kollege zeigt Kollegin Pornobilder und sagt, dass er solche Bilder auch von ihr machen könneArbeitgeber darf fristlos kündigen / Allgemein übliche minimale körperliche Distanz nicht gewahrt

Wer als Vorgesetzter seine Mitar­bei­te­rinnen sexuell belästigt, riskiert die fristlose Kündigung seines Arbeits­ver­hält­nisses. Das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein hielt eine entsprechend begründete fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber für rechtens und wies daher die Kündi­gungs­schutzklage eines Arbeitnehmers ab.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2005 wurde einem Arbeitnehmer fristlos gekündigt. Ihm wurden mehrere sexuelle Belästigungen zur Last gelegt. Der Arbeitnehmer bestritt diese und erhob Kündi­gungs­schutzklage. Das Arbeitsgericht Elmshorn gab der Klage statt, da es die Vorwürfe überwiegend als nicht erwiesen ansah. Der eine bestätigte Vorfall habe wiederum die außer­or­dentliche Kündigung nicht rechtfertigen können. Dagegen legte der Arbeitgeber Berufung ein.

Fristlose, außer­or­dentliche Kündigung war wirksam

Das Lande­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein entschied zu Gunsten des Arbeitgebers. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung habe vorgelegen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der seit über 30 Jahren beim beklagten Arbeitgeber beschäftigte Kläger als Vorgesetzter eine Mitarbeiterin jahrelang dadurch sexuell belästigt habe, dass er sich unnötig an diese herandrängelte mit Bemerkungen wie: "Stell dich nicht so an!" oder "Na, was ist mit uns?" Die Mitarbeiterin habe ihre Ablehnung zwar nicht durch Worte bekundet, entzog sich den Annäherungen aber immer deutlich, indem sie sich aus den Armen des Klägers herausdrehte oder mit dem Stuhl ein Stück wegrückte. Einer anderen Mitarbeiterin habe der Kläger pornographische Fotos vorgelegt mit der Bemerkung, dass er solche Bilder auch von ihr machen könne. Auf die Zurückweisung der Mitarbeiterin hin habe der Kläger nicht etwa geschwiegen, sondern erwiderte noch, dass ja keiner die Fotos sehen würde. Schließlich habe er eine Mitarbeiterin von hinten umfasst und an die Brust gefasst.

Kündigung war nicht unver­hält­nismäßig

Aus Sicht des Landes­a­r­beits­ge­richts sei die außer­or­dentliche Kündigung nicht unver­hält­nismäßig gewesen. Denn der Arbeitnehmer habe durch sein Verhalten, dass sich aus der Vorge­setz­ten­stellung ergebende Abhän­gig­keits­ver­hältnis, über einen längeren Zeitraum missbraucht und damit unberechtigt in die Intimsphäre der betroffenen Mitar­bei­te­rinnen eingegriffen. Diese fortgesetzten schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers haben trotz der Unter­halts­pflichten des Arbeitnehmers und seiner sehr langen Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit eine fristlose Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses gerechtfertigt. Ein freier Arbeitsplatz, bei dem auch die betroffenen Mitar­bei­te­rinnen vor Kontakten mit dem Kläger geschützt gewesen wären, habe nicht existiert.

Sexuelle Belästigung nicht nur bei Körperkontakt

Das Landes­a­r­beits­gericht führte weiter aus, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSchG eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten ist, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören auch sexuelle Handlungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG). Demnach umfasse der Begriff der "sexuellen Belästigung" nicht allein sexuell bestimmten direkten Körperkontakt. Auch wer die allgemein übliche minimale körperliche Distanz nicht wahre, sondern die Betroffene gezielt unnötig und wiederholt unerwünscht anfasst bzw. berührt, begehe eine sexuelle Belästigung. Gleiches gelte, wenn ein Vorgesetzter einer Arbeitnehmerin pornographische Bilder vorlegt und ihr anbietet, er könne solche auch von ihr anfertigen.

Person der Betroffenen unerheblich

Die Attraktivität der Betroffenen sowie deren Bildungsniveau spiele nach Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts bei der Bewertung einer Handlung als sexuelle Belästigung ebenso wenig eine Rolle wie deren Umgangsstil oder deren Lektüre (BILD-Zeitung).

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (vt/rb)

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