22.11.2024
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Arbeitsgericht Frankfurt am Main Urteil11.02.2002

Körperlich berührt, "begrapscht" und "betatscht": Sexuelle Belästigung einer gehörlosen und stummen Mitarbeiterin rechtfertigt fristlose KündigungVorherige Abmahnung nicht erforderlich

Wer eine gehörlose und stumme Mitarbeiterin sexuell belästigt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich. Dies geht aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Beschäftigten eines Secondhand-Markts wurde fristlos gekündigt. Der Arbeitgeber behauptete, den Arbeitnehmer im September 2009 dabei beobachtet zu haben, wie er eine gehörlose und stumme Mitarbeiterin sexuell belästigt habe. Er habe die Mitarbeiterin "begrapscht", körperlich berührt und am Oberkörper "betatscht". Zudem habe er nach Aussage der Mitarbeiterin, dies wiederholt getan. So sei er von hinten an sie herangetreten und habe sie an Hals, Schulter, Nacken und Hüfte angefasst. Die Zudring­lich­keiten seien teilweise zu heftig gewesen, dass sie ihn schlagen musste, um sich zu wehren. Der Arbeitnehmer bestritt die Vorfälle und beantragte die gerichtliche Feststellung, dass das Arbeits­ver­hältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde.

Wichtiger Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung lag vor

Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. entschied gegen den Arbeitnehmer. Die außer­or­dentliche fristlose Kündigung sei wirksam gewesen, da ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Das Gericht sah die Vorfälle als erwiesen an. Durch die ungewünschten körperlichen Berührungen sei die Mitarbeiterin sexuell belästigt worden.

Arbeitgeber muss Mitarbeiter vor sexueller Belästigung schützen

Der Arbeitgeber habe seine Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz gemäß § 2 Abs. 1 BeSchuG zu schützen, so das Arbeitsgericht weiter. Die fristlose Kündigung sei demnach alternativlos gewesen. Eine Abmahnung wäre angesichts der mehrfach erfolgten sexuellen Belästigungen nicht geeignet gewesen, die weitere Vornahme solcher Handlungen zu unterbinden. Zudem hätte die Mitarbeiterin im Falle der Weiter­be­schäf­tigung des Arbeitnehmers, ihre Tätigkeit ohne Verlust ihres Lohns einstellen können (vgl. § 4 Abs. 2 BeSchuG).

Inter­es­se­n­ab­wägung erfolgte zu Lasten des Gekündigten

Die im Rahmen der Kündigung vorzunehmende Inter­es­se­n­ab­wägung erfolgte nach Ansicht des Arbeitsgerichts zu Lasten des gekündigten Arbeitnehmers. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass er relativ jung, noch nicht lange beim Arbeitgeber beschäftigt und nicht unter­halts­pflichtig war. Insbesondere sei zu beachten gewesen, dass der Arbeitnehmer eine schwer­be­hinderte Frau belästigte, die sich nicht verbal zur Wehr setzen oder sofort Mitarbeiter oder Vorgesetzte um Hilfe bitten konnte. Im Rahmen der Inter­es­se­n­ab­wägung seien zwar auch Art, Umfang und Intensität der sexuell bestimmten körperlichen Berührungen zu berücksichtigen. Diese seien hier aber nicht im obersten Bereich gewesen.

Quelle: Arbeitsgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)

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