18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.
ergänzende Informationen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil23.04.2009

Keine Kündigung trotz ständiger UnpünktlichkeitZahlreiche Abmahnungen ohne weitere Konsequenzen sind leere Drohungen, die Kündigung nicht rechtfertigen

Die wiederholte und bereits mehrfach abgemahnte Unpünktlichkeit eines Arbeitnehmers führt nicht zur Kündigung, wenn der Arbeitgeber die letzte Abmahnung nicht besonders eindringlich gestaltet hat. Dies entschied das Landes­arbeits­gericht Rheinland-Pfalz.

Damit bestätigten die Richter das erstin­sta­nzliche Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, das der Klage eines wegen häufiger Unpünktlichkeit entlassenen Straßen­rei­nigers stattgegeben hatte. Zwar ist schuldhaft verspätetes Erscheinen trotz einschlägiger vorheriger Abmahnungen eine Verletzung der Arbeitspflicht, die eine außer­or­dentliche Kündigung begründen kann, wenn sie den Grad und das Ausmaß einer beharrlichen Arbeits­ver­wei­gerung erreicht haben. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Pflicht­ver­letzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird. Auch ist bei einem Verschlafen davon auszugehen, dass die dadurch hervorgerufene Verspätung durch den Arbeitnehmer zu vertreten ist.

Kündigung verstößt gegen Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz

Die Richter befanden jedoch, dass im zu entscheidenden Fall die ausgesprochene Kündigung gegen den Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz verstoße. Denn der Kläger habe bei seinem verspäteten Erscheinen, auf das sich die Kündigung stütze, nicht damit rechnen müssen, dass er seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Der Arbeitgeber hatte gegenüber dem Kläger zuvor bereits fünf Abmahnungen ausgesprochen. Nach der Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts können zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflicht­ver­let­zungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflicht­ver­letzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss.

Wiederholte Abmahnung wegen gleicher Pflicht­ver­letzung muss besonders eindringlich sein

Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn jahrelang die Kündigung nur angedroht wird. Es handelt sich dann um eine "leere" Drohung. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflicht­ver­let­zungen nunmehr zum Ausspruch einer Kündigung führen werden. Im zu entscheidenden Fall fehlte es an einer solchen Eindring­lichkeit. Der Kläger konnte aufgrund der bisherigen Abmah­nung­s­praxis seines Arbeitgebers durchaus den Eindruck gewinnen, seine Verspätungen würden zwar missbilligt, seien aber nicht so gravierend, dass die Beklagte erneut "Milde walten lässt" und eine Kündigung letztlich doch nicht erklärt.

Arbeitgeber hatte zuvor fast vierstündige Verspätung nicht sanktioniert

Die letzte Abmahnung wich nur in Nuancen von den vorherigen Formulierungen ab. Von einer erkennbaren Steigerung könne nicht die Rede sein, so die Richter. Von einem einfachen Hilfsarbeiter könne nicht erwartet werden, dass er diese subtilen Unterschiede in der Formulierung erkenne. Auch habe es der Arbeitgeber in seiner vorletzten Abmahnung immerhin noch als Entschul­di­gungsgrund durchgehen lassen, dass der Kläger eine fast vierstündige Verspätung mit einer Fahrradpanne begründet hatte - dies angesichts des Umstandes, dass die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers und seinem Arbeitsplatz nur knapp sechs Kilometer beträgt und er seinen Arbeitsweg problemlos mit mehreren Stadtbussen hätte fortsetzen können.

Arbeitgeber durch seine Nachsicht benachteiligt

Nach alledem befanden die Richter, dass die Kündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Sie betonten, dass der beklagte Arbeitgeber im vorliegenden Fall dadurch benachteiligt werde, dass er gegenüber dem Kläger lange Zeit Nachsicht gezeigt habe. Auch wenn die vorliegende Kündigung im Ergebnis nicht gerechtfertigt sei, so sei nunmehr immerhin die Funktion einer Abmahnung erfüllt. Jedenfalls jetzt müsse dem Kläger unmiss­ver­ständlich und "besonders eindringlich" klar geworden sein, dass der im Fall weiterer Vertrags­ver­let­zungen seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze.

Quelle: ra-online (we)

der Leitsatz

Zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflicht­ver­let­zungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflicht­ver­let­zungen nunmehr zum Ausspruch einer Kündigung führen werden.

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil8212

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI