21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Niedersachsen Urteil08.03.2023

Erschütterung des Beweiswerts einer AU bei dauerhafter Krankmeldung nach Erhalt der KündigungKrankschreibung genau bis zum Ende eines Arbeits­verhältnisses muss noch keine berechtigten Zweifel an ärztlich bescheinigter Arbeits­un­fä­higkeit begründen

Der Beweiswert einer Arbeits­unfähigkeits­bescheinigung kann auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeit­ge­ber­seitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend - "postwendend" - krankmeldet bzw. eine Arbeits­unfähigkeits­bescheinigung einreicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist abgedeckt wird. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen entschieden.

Die Parteien streiten über Entgelt­fort­zah­lungs­ansprüche aus dem beendeten Arbeits­ver­hältnis. Der Kläger war vom 16.03.2021 bis 31.05.2022 Arbeitnehmer der Beklagten, die ihn zuletzt am 21.04.2022 beschäftigte. Er meldete sich am 02.05.2022 krank und legte nachfolgende Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen seines behandelnden Arztes für den Zeitraum ab dem 02.05.2022 bis zum 31.05.2022 mit unter­schied­lichen Diagnosen vor. Die Beklagte kündigte das Arbeits­ver­hältnis mit Schreiben vom 02.05.2022, dem Kläger zugegangen am 03.05.2022, ordentlich zum 31.05.2022 und verweigerte wegen der Koinzidenz der Krankschreibung und der Kündigung die Entgeltfortzahlung.

Kranmeldung kann Beweiswert einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung erschüttern

Das Arbeitsgericht Hildesheim gab der Klage mit der Begründung statt, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht durch die Arbeitgeberin erschüttert worden sei. Die hiergegen eingelegte Berufung der Arbeitgeberin beim Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen blieb erfolglos. Das LAG führte in seinem Urteil aus, dass der Beweiswert einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung könne auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeit­ge­ber­seitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend - "postwendend" - krankmeldet bzw. eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung einreicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist - auch durch mehrere Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen - abgedeckt werde.

Kein Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen Kündigung und Krankmeldung

Melde sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhalte er erst sodann eine arbeit­ge­ber­seitige Kündigung, fehle es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung notwendigen Kausa­l­zu­sam­menhang. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeits­ver­hält­nisses arbeitsunfähig krank­ge­schrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttert in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen nicht. Zugelassene Revision ist derzeit beim BAG anhängig.

Quelle: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, ra-online (pm/ab)

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