18.10.2024
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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil17.03.2011

Keine Kündigung bei fehlender Abmeldung im Zeit­erfassungs­system bei Raucherpausen ohne vorherige AbmahnungAbmahnung ist nur entbehrlich, wenn keine Verhal­ten­s­än­derung des Arbeitnehmers zu erwarten ist

Die fristlose Kündigung soll ein Arbeits­ver­hältnis beenden, dessen Fortführung dem kündigenden Vertragspartner nicht weiter zuzumuten ist. Andernfalls setzt die Rechts­wirk­samkeit einer außer­or­dent­lichen Kündigung jedoch eine Abmahnung voraus. So muss ein Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, sein Fehlverhalten zu ändern und damit das Vertrauen seines Arbeitgebers wieder­zu­ge­winnen. Dies geht aus einem Urteil des Landes­arbeits­gerichts Hamm hervor.

Im vorliegenden Fall wurde einem seit mehr als zehn Jahren bei einem Logis­ti­k­un­ter­nehmen beschäftigten Sachbearbeiter fristlos gekündigt, da er es häufiger unterlassen hatte, Arbeits­un­ter­bre­chungen vorschriftsmäßig anzumelden. Der Arbeitgeber warf seinem Mitarbeiter vor, er habe sich nicht wie vorgesehen am Terminal im Zugangsbereich des Großraumbüros abgemeldet, als er dieses zu privat veranlasster Arbeits­un­ter­brechung verließ. Damit habe er sich Arbeits­ver­gütung für die Dauer der eingelegten Pausen erschlichen. Nachdem zunächst nur ein Verdacht bestand, sei man dazu übergegangen, den Mitarbeiter zu beobachten und habe dabei insgesamt elf Verstöße festgestellt. Der Mann sei damit auf eine Gesamt­ab­we­sen­heitszeit von 267 Minuten gekommen. Das Unternehmen kündigte dem Mitarbeiter daraufhin mit der Begründung, in dem vorgeworfenen Fehlverhalten liege eine nachhaltige Verletzung arbeits­ver­trag­licher Pflichten in Form des Arbeitsbetruges. Dem Arbeitgeber sei damit nach eigener Auffassung die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses unzumutbar gewesen.

Vor Ausspruch der fristlosen Kündigung hätte eine Abmahnung erfolgen müssen

Das Landes­a­r­beits­gericht Hamm erklärte die erfolgte fristlose Kündigung jedoch für unwirksam. Es liege kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. So sei die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses für den Arbeitgeber weder unzumutbar gewesen, noch könne die Kündigung als sozial gerechtfertigt angesehen werden. Grundsätzlich sei das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zwar geeignet, eine außer­or­dentliche Kündigung zu rechtfertigen, im konkreten Fall, nach Abwägung der Interessen, käme das Gericht jedoch zu der Feststellung, dass eine fristlose Kündigung ohne vorangegangene Abmahnung als unver­hält­nismäßig anzusehen sei. Es komme darauf an, ob zum Kündi­gungs­zeitpunkt die Prognose berechtigt gewesen sei, der Mitarbeiter hätte sich durch Ausspruch einer Abmahnung zu einem künftigen vertrags­recht­lichen Verhalten veranlasst sehen können und damit das erforderliche Vertrauen seines Arbeitgebers wieder­her­stellen können. Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber zudem die Möglichkeit gehabt, den Arbeitnehmer rechtzeitig auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Die über eine gewisse Zeit erfolgte Beobachtung habe ausreichend Möglichkeit geboten, bereits nach dem ersten oder zweiten festgestellten Pflichtverstoß dafür zu sorgen, dass sich dieses Verhalten nicht weiter fortsetze.

Abmahnung nur entbehrlich, wenn Verhal­ten­s­än­derung nicht zu erwarten ist oder festgestellte Pflicht­ver­letzung schwer wiegt

Einer Abmahnung bedürfe es nur dann nicht, wenn diese aussichtslos erscheine, weil der Abzumahnende ohnehin zu einer Verhal­ten­s­än­derung nicht bereit sei oder die festgestellte Pflicht­ver­letzung so schwer wiege, dass eine Abmahnung nicht mehr als ausreichendes Mittel zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers angesehen werden könne. Eine Bewertung des Verhaltens als Arbeitszeitbetrug, und damit die Feststellung einer besonderen Schwere der Pflicht­ver­letzung, sei nicht gerechtfertigt. Kennzeichnend für diesen Straftatbestand wäre schließlich das Vorliegen einer Täuschungs­er­klärung. Würde sich der Arbeitnehmer beispielsweise seine Stempelkarte von einem Kollegen abstempeln lassen, obwohl er selbst nicht im Betrieb erscheine, täusche er den Arbeitgeber über die Dauer der Anwesenheit im Betrieb. Da dies im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben war, könne eine besondere Schwere der Pflicht­ver­letzung nicht festgestellt werden. Nach Abwägung der Interessen sei das Arbeitsverhältnis damit für nicht beendet zu erklären gewesen.

Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Hamm (vt/st)

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