Der Kläger war Cheftrainer der Lizenzmannschaft des Beklagten (SC Paderborn) seit Februar 2008. Zur Saison 2009/2010 stieg die Mannschaft in die 2. Fußball-Bundesliga auf. Bereits zuvor im Mai 2009 zwei Spieltage vor dem Ende der Saison 2008/2009 hatte der Verein den Kläger freigestellt.
Im bis zum 30.06.2010 befristeten Arbeitsvertrag war vereinbart, dass der Kläger neben der monatlichen Grundvergütung (zwischen 12.000,- € und 15.000,- €) und einem Dienst-Kraftfahrzeug auch eine Prämie für jeden Meisterschaftspunkt erhält, der während der Zugehörigkeit zur 2. Fußball-Bundesliga erzielt wird. Außerdem war eine Prämie für den Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga vorgesehen. Ab dem Zeitpunkt einer Freistellung sollten keine Punktprämien, sondern nur noch die Grundvergütung zu zahlen sein. Die Aufstiegsprämie sollte nur zeitanteilig gewährt und der Dienstwagen binnen vier Wochen nach der Freistellung entschädigungslos herausgegeben werden. Zudem war eine Ausschlussfrist vereinbart, wonach beide Parteien gehalten waren, binnen vier Monaten ab Fälligkeit ihre Ansprüche gegenüber der Gegenseite geltend zu machen.
Der Kläger fordert mit der Klage im Wesentlichen eine Punkteprämie für die Zweitligasaison 2009/2010, zeitanteilige Prämien für die Saison 2008/2009 und Schadensersatz für die Entziehung des Dienstwagens. Er meint, die arbeitsvertragliche Regelung, wonach eine Freistellung Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch hat, sei unwirksam.
Das Arbeitsgericht Paderborn hatte mit Urteil vom 25. Februar 2010 der Klage nur in Höhe von 40.000 Euro stattgegeben, weil zwar der vereinbarte Wegfall von Punktprämien und sonstigen zusätzlichen Vergütungsbestandteilen während der Freistellung unwirksam sei und auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe; ein Großteil der Ansprüche des Klägers von insgesamt rund 140.000 Euro sei jedoch aufgrund der vertraglichen Ausschlussklausel verfallen.
Beide Parteien haben gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt.
Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben, die Berufung des beklagten Vereins zurückgewiesen und den Verein zur Zahlung von rund 132.000 Euro verurteilt, weil die strittigen vertraglichen Vereinbarungen (Wegfall der Punktprämie, zeitanteilige Kürzung der Aufstiegsprämie, Herausgabe des Dienstwagens, Ausschlussfrist) unwirksam sind.
Nach Auffassung des Gerichts sind sie einer Kontrolle nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 305 ff. BGB zu unterziehen. Der beklagte Verein hat es auch in der Berufungsinstanz nicht darlegen können, dass der Arbeitsvertrag in den zwischen den Parteien strittigen Punkten ausgehandelt wurde bzw. der Kläger - entgegen seinem Vortrag - doch die Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Inhalt des Vertrags trotz seiner Vorformulierung durch den Verein hatte. Nur dann wäre eine AGB-Kontrolle entfallen.
Der vertraglich vorgesehene Wegfall der Punktprämie im Falle einer Freistellung des Trainer ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil er einen einseitigen Änderungsvorbehalt durch den Verein zulasten des Klägers bezüglich der Höhe der im Falle der Freistellung aus Annahmeverzug zu zahlenden Vergütung beinhaltet. Dieser ist für einen Trainer nach Interessenabwägung nicht zumutbar. § 615 Satz 1 BGB verpflichtet den Arbeitgeber in einem solchen Fall zur Zahlung der vereinbarten Vergütung in voller Höhe. Durch die Befugnis, die Punktprämie im Falle einer Freistellung nicht mehr zu zahlen, wird in einem erheblichen Umfang in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, der im konkreten Fall bis zu 54,5 % der Gesamtvergütung betragen kann und tatsächlich 37,2 % betragen hat. Dies überschreitet die vom Bundesarbeitsgericht bei Änderungsvorbehalten anerkannte Grenze von 25 % der Gesamtvergütung.
Zwar ist § 615 Satz 1 BGB grundsätzlich dispositiv, kann also durch eine Vereinbarung der Parteien auch zulasten des Arbeitnehmers abgeändert werden. Angesichts des hohen Gerechtigkeitsgehalts der Vorschrift bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer formularmäßigen Abbedingung. Der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer nicht beschäftigt, soll gerade den vereinbarten Lohn zahlen, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung der ausgefallenen Arbeit verpflichtet ist. Die Meinung des Beklagten, es handele sich um einen „gerechten Ausgleich“, wenn ein freigestellter Trainer nicht das gleiche Entgelt bekomme wie ein aktiver Trainer, ist mit der Gesetzeslage nicht zu vereinbaren. Eine solche „Gerechtigkeit“ ist § 615 Satz 1 BGB fremd und nicht zu entnehmen. Nach § 615 Satz 1 BGB ist es von Gesetzes wegen gerade gerecht und ausgewogen, die vereinbarte Vergütung trotz Freistellung unabhängig davon zu zahlen, ob ein anderer Arbeitnehmer für die Funktion nunmehr beschäftigt wird und zu bezahlen ist.
Der Vorbehalt eines Wegfalls der Punktprämie, einer zeitanteiligen Kürzung der Aufstiegsprämie und einer entschädigungslosen Pflicht zur Herausgabe des Dienstwagens im Falle einer Freistellung ist darüber hinaus unwirksam, weil der beklagte Verein in jedem Fall einer Freistellung hierzu berechtigt sein soll, also auch dann, wenn die Freistellung grundlos oder ohne einen anerkennenswerten Grund erfolgt. Das ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unzulässig.
Die sich hieraus ergebenden Zahlungsansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Die ebenfalls einer AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist ist aus mehreren Gründen unwirksam.
Die Unwirksamkeit der Ausschlussfrist ergibt sich zum einen aus § 202 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 134, § 306 BGB. Gemäß § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Er verbietet daher Ausschlussfristen, die solche Ansprüche erfassen. Im vorliegenden Fall unterliegen die „beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag“ der viermonatigen Ausschlussfrist. Dies erfasst nach Auslegung Ansprüche aus der Haftung wegen Vorsatzes, und zwar sowohl aus Vertrag als auch aus unerlaubter Handlung. Jedenfalls ist bei Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB hiervon auszugehen. Das hat die Unwirksamkeit der Ausschlussfrist insgesamt zur Folge. § 139 BGB, der die Möglichkeit einer Teilnichtigkeit vorsieht, findet aufgrund der spezielleren Vorschrift des § 306 BGB keine Anwendung im Rahmen der AGB-Kontrolle.
Die Unwirksamkeit der Ausschlussfrist ergibt sich des Weiteren aus § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts, wie sie in § 202 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt, in nicht zu vereinbarender Weise ab. Daraus ergibt sich zugleich ein Verstoß gegen das Transparenzgebot.
Die Unwirksamkeit der Ausschlussfrist ergibt sich schließlich aus § 309 Nr. 7 BGB. Danach kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung wegen Schäden, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen, überhaupt nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Die im vorliegenden Fall vereinbarte Ausschlussfrist erfasst solche Ansprüche. „Begrenzung“ im Sinne des § 309 Nr. 7 BGB ist schon dem Wortlaut nach nicht ausschließlich so zu verstehen, dass nur die Entstehung des Anspruchs gemeint ist. Ein Anspruch wird auch dann begrenzt, wenn nach seiner uneingeschränkten Entstehung über die gesetzlichen Verjährungsfristen hinaus der Vertragspartner des Verwenders innerhalb kürzerer Fristen aktiv werden muss, um seine Rechte nicht zu verlieren. Die Pflicht zur Geltendmachung bewirkt mittelbar eine Haftungsfreistellung. Dies Verständnis des § 309 Nr. 7 BGB entspricht zudem dem gesetzgeberischen Willen, der nicht ohne Anlass in sein Gegenteil verkehrt werden kann.
Die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts weicht sowohl in Begründung als auch Ergebnis damit von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; 28. September 2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149) ab und folgt bezüglich § 309 Nr. 7 BGB der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, 15. November 2006, VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; 26. Februar 2009, Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486). Schließlich hat das Landesarbeitsgericht trotz der über ein Jahr andauernden Freistellung dem Kläger für das Jahr 2010 den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch für 12 Tage zugesprochen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.10.2011
Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm/ ra-online