21.11.2024
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Sie sehen zwei Pferde auf einer Koppel.

Dokument-Nr. 3349

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Urteil15.11.2006BundesgerichtshofVIII ZR 3/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2007, 2649Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2007, Seite: 2649
  • BGHZ 174, 1Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 174, Seite: 1
  • DB 2007, 2709Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2007, Seite: 2709
  • DNotZ 2008, 365Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2008, Seite: 365
  • MDR 2008, 16Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 16
  • NJ 2008, 171Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2008, Seite: 171
  • NJW 2007, 3774Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2007, Seite: 3774
  • VersR 2008, 498Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2008, Seite: 498
  • WM 2007, 2261Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2007, Seite: 2261
  • ZIP 2007, 2270Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2007, Seite: 2270
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Kiel, Urteil06.05.2004, 4 O 279/04
  • Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil13.12.2005, 3 U 42/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.11.2006

BGH: Sechs Monate altes Fohlen ist keine "gebrauchte Sache"BGH zur Verjäh­rungsfrist nach Tierauktionen

Ein sechs Monate altes Hengstfohlen ist keine "gebrauchte Sache" im Sinne der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Verbrauchs­gü­terkauf. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Im Fall hatte ein Pferdezüchter auf einer Auktion ein sechs Monate altes Fohlen ersteigert, bei dem sich nach über einem Jahr ein angeborener Herzfehler herausstellte.

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein sechs Monate altes Fohlen "gebraucht" im Sinne der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Verbrauchs­gü­terkauf (§§ 474 ff. BGB) ist. Tiere sind zwar keine Sachen und demzufolge auch keine "Verbrauchsgüter", jedoch sind die dafür geltenden Vorschriften auf Tiere entsprechend anzuwenden (§ 90 a Satz 3 BGB). Die Unterscheidung zwischen "neuen" und "gebrauchten" Tieren – in der Praxis handelt es sich meist um Pferde – ist für die Frage von Bedeutung, ob beim Verkauf eines Tieres durch einen Unternehmer an einen Verbraucher die zweijährige Verjäh­rungsfrist für Mängelansprüche des Käufers (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) auf ein Jahr abgekürzt werden kann, was nur beim Verkauf gebrauchter Sachen oder Tiere möglich ist (§§ 475 Abs. 2, 90a BGB).

Im vorliegenden Fall erwarb der Kläger am 27. Oktober 2002 von der Beklagten auf einer von ihr veranstalteten Auktion ein sechs Monate altes Hengstfohlen, welches nach einem medizinischen Unter­su­chungs­pro­tokoll keine Gesund­heits­schäden aufwies. Die von der Beklagten verwendeten Aukti­o­ns­be­din­gungen bestimmen, dass die Pferde als "gebrauchte Sachen im Rechtssinne" verkauft werden und dass Gewähr­leis­tungs­rechte des Käufers innerhalb von zwölf Monaten nach Gefahrübergang verjähren. Am 13. Oktober 2004 – nach Ablauf der Zwölf­mo­natsfrist, aber vor Ablauf von zwei Jahren – erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, das Fohlen leide an einem angeborenen Herzfehler und sei deshalb mangelhaft. Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Berufung auf die in ihren Aukti­o­ns­be­din­gungen vorgesehene Verjäh­rungsfrist von zwölf Monaten ab.

Die daraufhin erhobene Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fohlens sowie auf Aufwen­dungs­ersatz wies das Landgericht wegen Verjährung ab. Es sah das Fohlen als "gebrauchte Sache" an und hielt deshalb die Abkürzung der Verjäh­rungsfrist auf zwölf Monate für wirksam. Das Oberlan­des­gericht wies die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurück. Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits an das Oberlan­des­gericht.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Kläger den Rücktritt rechtzeitig, nämlich innerhalb der hier maßgeblichen zweijährigen Verjäh­rungsfrist erklärt hat. Die Abkürzung der Verjäh­rungsfrist auf ein Jahr in den Aukti­o­ns­be­din­gungen der Beklagten ist zum einen schon deshalb unwirksam, weil es sich bei der betreffenden Klausel um eine von der Beklagten verwendete Allgemeine Geschäfts­be­dingung handelt, die ohne Ausnahme alle Gewähr­leis­tungs­rechte des Käufers und damit unter anderem auch etwaige auf einen Mangel des verkauften Pferdes zurück­zu­führende Schaden­s­er­satz­ansprüche erfasst. Für derartige Ansprüche, soweit sie auf Ersatz von Körper- und Gesund­heits­schäden gerichtet oder auf grobes Verschulden gestützt sind, kann die Haftung in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen nicht wirksam begrenzt werden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB). Eine hiernach unzulässige Haftungs­be­grenzung stellt auch die Abkürzung der Verjäh­rungsfrist für die betreffenden Ansprüche dar. Der Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB hat zur Folge, dass die Abkürzung der Verjäh­rungsfrist insgesamt – auch für den Rücktritt des Käufers wegen des behaupteten Mangels – unwirksam ist.

Zum anderen ist die Verjäh­rungs­re­gelung in den Aukti­o­ns­be­din­gungen der Beklagten aber auch deswegen unwirksam, weil die Verjäh­rungsfrist bei einem Verbrauchs­gü­terkauf im Fall des Verkaufs neuer Sachen und Tiere nicht auf weniger als zwei Jahre abgekürzt werden kann (§ 475 Abs. 2 BGB). Das Fohlen war zur Zeit der Auktion nicht "gebraucht", weil es bis dahin weder als Reittier noch nur Zucht verwendet worden war. Einer in der rechts­wis­sen­schaft­lichen Literatur verbreiteten Auffassung, wonach Tiere stets als "gebraucht" im Sinne der Vorschriften über den Verbrauchs­gü­terkauf anzusehen seien, ist der Bundes­ge­richtshof nicht gefolgt. Er konnte auch offen lassen, ob und wann ein Tier unabhängig von der Frage, welchem Zweck es dienen soll und ob es dafür schon verwendet worden ist, allein durch Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt zur "gebrauchten" Sache wird. Nach dem in den Geset­zes­ma­te­rialien zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers ist auch beim Tierkauf zwischen "neuen" und "gebrauchten" Kaufobjekten zu unterscheiden; jedenfalls junge Haustiere sollen danach nicht als "gebraucht", sondern als "neu" anzusehen sein (BT-Drucks. 14/6040, S. 245). Der bloße Zeitablauf ist daher unerheblich, solange das Tier noch „jung“ ist. Das war bei dem im Zeitpunkt des Verkaufs erst sechs Monate alten Fohlen, das sich überdies noch nicht von der Mutterstute "abgesetzt" hatte, ohne Zweifel der Fall.

Ob eine Sache oder ein Tier neu oder gebraucht ist, bestimmt sich nach einem objektiven Maßstab; anders als das Berufungs­gericht gemeint hat, konnten die Parteien somit auch nicht rechtswirksam vereinbaren, dass es sich bei dem verkauften Fohlen um ein gebrauchtes Tier handele, weil durch eine solche Vereinbarung der vom Gesetzgeber beabsichtigte Verbrau­cher­schutz ausgehöhlt würde.

Das Oberlan­des­gericht wird nunmehr festzustellen haben, ob das Fohlen, wie vom Kläger behauptet, an einem Herzfehler leidet, der bereits zur Zeit der Auktion vorhanden war.

Quelle: ra-online, BGH

der Leitsatz

BGB §§ 90a, 195, 199, 218, 309 Nr. 7, 326 A, 346, 347, 437, 438, 474, 475

a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, mit der die gesetzliche Verjäh­rungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schaden­s­er­satz­ansprüche nicht von der Abkürzung der Verjäh­rungsfrist ausgenommen werden.

b) Tiere, die verkauft werden, sind nicht generell als "gebraucht" anzusehen. Ein Tier, das im Zeitpunkt des Verkaufs noch jung (hier: sechs Monate altes Hengstfohlen) und bis zum Verkauf nicht benutzt (hier: als Reittier oder zur Zucht verwendet) worden ist, ist nicht "gebraucht".

c) Sachen oder Tiere, die nach objektiven Maßstäben noch neu sind, können durch einen Unternehmer an einen Verbraucher nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit "gebraucht" verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mänge­l­ansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

d) Für die Frage, ob der Rücktritt des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache nach § 218 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB wirksam ist, ist entscheidend, ob der Rücktritt erklärt wird, bevor der - bestehende oder hypothetische - Nacher­fül­lungs­an­spruch verjährt ist. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückge­währ­schuld­ver­hältnis kommt es nicht an (Bestätigung des Senatsurteils vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 209/05).

e) Ansprüche des Käufers aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückge­währ­schuld­ver­hältnis unterliegen nicht der Verjährung nach § 438 Abs. 1, 2 BGB, sondern der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB.

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