21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil01.08.2013

Fremd­personal­einsatz bei der Daimler AG erfolgte im Wege der unerlaubten Arbeit­nehmer­überlassung und nicht im Rahmen eines WerkvertragesBeschäftigung im Rahmen eines Schein­werk­ver­trages führt zum Zustandekommen eines Arbeits­verhältnisses

Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeit­nehmer­überlassung kommt es vor allem darauf an, ob ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert wird und vom Dritten arbeits­ver­tragliche Weisungen erhält. Ist dies der Fall, ist von einer Arbeit­nehmer­überlassung auszugehen und nicht von einer Fremd­personal­überlassung im Rahmen eines Werkvertrages. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Baden-Württemberg hervor. Das Gericht gab damit der Klage zweier Beschäftigter von Dritt­un­ter­nehmen statt, die ein Arbeits­ver­hältnis mit der Firma Daimler AG festgestellt wissen wollten.

Die 1957 bzw. 1960 geborenen Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls haben mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Infor­ma­ti­o­ns­tech­nologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit der Daimler AG ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt hat. Beide Kläger arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte bei der Daimler AG, zuletzt am Standort Stuttgart-Möhringen für den IT-Support in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Compu­ter­a­r­beits­plätze zuständig.

Kläger verlangen Feststellung eines Arbeits­ver­hält­nisses mit der Daimler AG

Die Kläger sind der Auffassung, dass sie Arbeitnehmer der Daimler AG seien. Sie seien in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen. Die Beklagte ist der Meinung, dass die Kläger keine Arbeitnehmer der Beklagten seien. Die Kläger hätten keine Weisungen und Arbeitsaufträge von der Beklagten erhalten. Die Beauftragung der Kläger sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, in dem Beschäftigte der Beklagten EDV-spezifische Aufträge erteilt hätten. Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Kläger weiter die Feststellung eines Arbeits­ver­hält­nisses mit der Daimler AG verfolgt.

Fremd­per­so­nal­einsatz der Kläger erfolgte nicht im Rahmen eines Werkvertrages

Das Landes­a­r­beits­gericht hat das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert, den Klagen entsprochen und die Revision zum Bundes­a­r­beits­gericht zugelassen. Das Berufungs­gericht ist der Überzeugung, dass der Fremd­per­so­nal­einsatz der Kläger im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist.

Bei Eingliederung der Arbeitnehmer in Betrieb des Dritten ist von Arbeit­neh­mer­über­lassung auszugehen

Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeit­neh­mer­über­lassung kommt es vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: Daimler) eingegliedert gewesen sind und vom Dritten arbeits­ver­tragliche Weisungen erhalten haben. Wenn dies der Fall ist, ist von Arbeit­neh­mer­über­lassung auszugehen. Dabei kommt es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertrags­ver­hältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind.

LAG geht nach wertender Gesamt­be­trachtung von Schein­werk­vertrag aus

Bei Anwendung dieser Rechts­grundsätze ist das Berufungs­gericht der Auffassung, dass die Kläger, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Beklagten für diese tätig gewesen sind, bei der Daimler AG eingegliedert waren. Sie haben auch von der Beklagten viele arbeits­ver­tragliche Weisungen erhalten. Das zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmen und Daimler vereinbarte Ticketsystem (IT-Aufträge von Daimler-Arbeitnehmern werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmer bearbeitet) ist in vielen Fällen so nicht gelebt worden. Vielmehr sind die Kläger von vielen Daimler-Mitarbeitern aus der Abteilung Treasury direkt beauftragt worden. Dabei handelt es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erschei­nungs­formen einer durchgehend geübten Vertragspraxis. Nach einer wertenden Gesamt­be­trachtung ist deshalb von einem Schein­werk­vertrag auszugehen. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ist zwischen den Klägern und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg/ra-online

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