21.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil07.05.2012

Berufs­ge­nos­sen­schaft muss Menis­ku­s­er­krankung eines Müllwerkers als Berufskrankheit anerkennenMüllmänner mit Leistungs­sportlern vergleichbar

Die Kniebelastung von Müllwerkern ist vergleichbar mit derjenigen von Hochleis­tungs­sportlern. Erleidet ein Müllwerker eine Menis­ku­s­er­krankung, ist diese bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall erlitt ein Müllwerker im Jahre 2005 während seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Die medizinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte degenerative Meniskopathie. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Erkrankung keine Unfallfolge sei. Es liege auch keine Berufskrankheit vor, da Müllwerker nicht entsprechenden Kniebelastungen ausgesetzt seien. Der 47-jährige Mann aus dem Landkreis Offenbach, der seit 1993 bei einem privaten Müllent­sor­gungs­un­ter­nehmen beschäftigt ist, klagte auf Anerkennung der Berufskrankheit.

Alltägliche Lebens­wirk­lichkeit mache Müllwerker mit Profisportlern vergleichbar

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts gaben dem Mann Recht und verurteilten die Berufs­ge­nos­sen­schaft zur Anerkennung der Berufskrankheit. Müllwerker seien bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Belastungen der Kniegelenke ausgesetzt. Dies resultiere aus der häufigen und erheblichen Bewegungs­be­an­spruchung insbesondere beim Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf unebenem Untergrund. Solche Belastungen mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungs­a­b­läufen lägen auch bei Rangierern sowie bei Hochleis­tungs­sportlern wie Fußball-, Handball- und Basket­ba­ll­spielern vor, deren Menis­ku­s­er­kran­kungen als Berufs­krank­heiten anerkannt würden. Die Tätigkeit eines Müllwerkers sei aufgrund der häufigen Sprung­be­we­gungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeugs mit der eines Rangierers vergleichbar. Die schnellen und unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen seien den Bewegungs­a­b­läufen der Profi­ba­ll­sportler ähnlich.

Besteigen des Trittbretts nicht mit Benutzung einer Leiter oder Treppe vergleichbar

Entgegen der Annahme der Berufs­ge­nos­sen­schaft sei die Tätigkeit von Müllwerkern auch nicht von einem kontrollierten Besteigen des Trittbretts - vergleichbar dem Benutzen einer Leiter oder Treppe - geprägt. Diese Vorstellung entspreche allenfalls den bestehenden Arbeits­schutz­be­din­gungen, nicht aber der alltäglichen Lebens­wirk­lichkeit von Müllwerkern.

Im Fall des klagenden Müllwerkers seien zudem die Menis­ku­s­er­krankung vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten und berufs­u­n­ab­hängige Risikofaktoren auszuschließen, so dass die Berufskrankheit anzuerkennen sei.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozial­ge­setzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Versi­che­rungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufs­krank­heiten.

§ 9 SGB VII

(1) Berufs­krank­heiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufs­krank­heiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts­ver­ordnung solche Krankheiten als Berufs­krank­heiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (…)

§ 1 Berufs­krank­heiten-Verordnung (BKV)

Berufs­krank­heiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (…).

Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV

Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurch­schnittlich belastenden Tätigkeiten.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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