18.10.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 29165

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Beschluss07.09.2020Hessisches LandessozialgerichtL 9 U 188/18
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss07.09.2020

Skiunfall in den USA ist kein ArbeitsunfallKein Versi­che­rungs­schutz "rund um die Uhr" bei Dienstreisen

Beschäftigte sind auf Dienstreisen gesetzlich unfall­ver­sichert. Dies gilt allerdings nicht "rund um die Uhr". Vielmehr muss die konkrete Tätigkeit auf einer Dienstreise - ebenso wie am Arbeitsplatz - mit dem Beschäftigungs­verhältnis wesentlich zusammenhängen und diesem dienen. Lädt eine Firma ihre Kunden zu einer Skireise ein und ist das Skifahren der einzige Programmpunkt der Reise, ist bereits fraglich, ob es sich um eine Dienstreise handelt. Jedenfalls aber ist das Skifahren nicht gesetzlich unfall­ver­sichert, soweit es dem Freizeitbereich zuzuordnen ist. Dies entschied in einem heute veröf­fent­lichten Urteil der 9. Senat des Hessischen Landes­sozialgerichts.

Der in Darmstadt lebende Geschäftsführer eines Fachhan­dels­un­ter­nehmens organisierte für Firmenkunden eine sechstägige Skireise nach Aspen in Colorado, mit welcher die Kundenbindung intensiviert werden sollte.

Geschäftsführer verunglückt während einer Skireise mit Firmenkunden

Während der Reise stürzte der 50-Jährige bei einer Skiabfahrt, als sich beim Umsetzen seine Skier verkanteten. Er zog sich eine Oberschen­kel­fraktur zu, die noch in den USA operativ versorgt wurde. Die Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da sich der Unfall nicht während einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Reine Freizeit­be­tä­ti­gungen seien auch dann nicht versichert, wenn sie in eine Veranstaltung eingebettet seien, welche dienstlichen Belangen diene. Die Teilnehmer der Skireise hätten sich zwar täglich zum Frühstück und Abendessen getroffen, ansonsten seien sie in der Gestaltung der täglichen Aktivitäten aber vollkommen frei gewesen.

Der Verunglückte berief sich dagegen darauf, dass er von seiner Arbeitgeberin beauftragt worden sei, die geschäftlichen Kontakte zu den mitreisenden Führungskräften der Geschäfts­partner zu pflegen. Der Firma sei es wichtig gewesen, dass er an den Aktivitäten einschließlich des Skifahrens teilnehme. Die Mitreisenden hätten am Unfalltag ausdrücklich seine Teilnahme an der Skiabfahrt gewünscht. Beim Aufstieg sei ferner über geschäftliche Dinge gesprochen worden.

Skifahren gehört als Freizeit­ak­tivität nicht zu den arbeits­ver­trag­lichen Pflichten eines Geschäfts­führers

Die Richter beider Instanzen verneinten einen Arbeitsunfall. Die maßgebliche Skiabfahrt sei eine privat­wirt­schaftliche Tätigkeit gewesen. Diese Freizeit­ak­tivität stehe mit der versicherten Beschäftigung des Geschäfts­führers in keinem sachlichen Zusammenhang und sei daher nicht gesetzlich unfall­ver­sichert. Skifahren habe offenkundig nicht zu dessen arbeits­ver­trag­lichen Pflichten gehört. Auch sei ihm keine entsprechende Weisung zur Teilnahme an einer Skiabfahrt erteilt worden.

Zudem sei die Skifahrt nicht im Rahmen einer Dienstreise gesetzlich unfall­ver­sichert gewesen. Denn nicht alle für ein Unternehmen nützlichen Aktivitäten stünden unter Versi­che­rungs­schutz. Gerade bei längeren Dienstreisen ließen sich vielmehr regelmäßig Tätigkeiten unterscheiden, die für das Unternehmen in einem wesentlichen Zusammenhang stünden und solchen, bei denen dies in den Hintergrund trete. Es sei schon fraglich, ob die Skireise überhaupt eine Geschäfts- bzw. Dienstreise oder nicht vielmehr eine sog. Motivations- bzw. Incentivereise gewesen sei. Jedenfalls aber habe das Skifahren im Mittelpunkt der Reise gestanden und sei nach dem vorgelegten Flyer sogar der einzige Programmpunkt gewesen.

Auch die Pflege geschäftlicher Kontakte begründe keine versicherte Tätigkeit. Der Versicherte und seine Arbeitgeberin hätten es schließlich nicht in der Hand, Freizeit­ak­ti­vitäten (Skifahren) insgesamt dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung zu unterstellen, indem sie diese mit betrieblichen Motiven (Kundenbindung) verknüpften. Dies gelte gleichermaßen für die betriebliche Finanzierung der Skireise, die Freistellung des Geschäfts­führers von der Arbeit und die Erwartung der Arbeitgeberin, dass er an der Freizeit­ak­tivität teilnehme.

Quelle: Hessischen Landessozialgericht, ra-online (pm/pt)

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