18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil28.11.2017

Krankenkasse muss Kosten für Genium-Kniegelenk tragenUmfangreicher Anspruch auf Hilfsmittel bei unmittelbarem Behin­de­rungs­aus­gleich

Bietet ein kosten­auf­wändiges Hilfsmittel einem behinderten Versicherten einen wesentlichen Gebrauchs­vorteil im Vergleich zur kosten­güns­tigeren Alternative, so ist dies von der Krankenkasse zu gewähren. Kann ein Versicherter die Gebrauchs­vorteile tatsächlich nutzen, so habe er Anspruch auf eine Versorgung mit einem Genium-Kniegelenk anstelle eines C-Leg. Dies hat das Hessische Landes­so­zi­al­gericht entschieden.

Gesetzlich Kranken­ver­si­cherte haben Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln, wenn diese im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Die Versorgung muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Bei einem unmittelbaren Behin­de­rungs­aus­gleich sind Funkti­o­ns­de­fizite möglichst weitgehend auszugleichen.

Ablehnung einer Beinpro­the­sen­ver­sorgung mit Genium-Kniegelenk wegen nur unerheblicher Gebrauchs­vorteile

Im hier zu entscheidenden Fall erlitt ein Mann aufgrund eines Sportunfalls im Jahre 2012 den Verlust seines linken Unterschenkels im Kniegelenk. Die Krankenkasse versorgte ihn mit einem Beinpro­the­sen­system (C-Leg). Bald darauf beantragte der 82-jährige Mann eine Beinpro­the­sen­ver­sorgung mit einem Genium-Kniegelenk, da er hiermit eine deutliche Verbesserung der Geh- und Stehfähigkeit erreiche. Die Krankenkasse lehnte dies ab. Das C-Leg-Prothesensystem für 28.000 € sei ausreichend. Das knapp 46.000 € teure Genium-Kniegelenk lasse demgegenüber keine erheblichen Gebrauchs­vorteile für den beinamputierten Mann erwarten.

Bei Prothesen jede Innovation zum unmittelbaren Behin­de­rungs­aus­gleich umfasst

Die Krankenkasse muss die Kosten für das Genium-Kniegelenk tragen. Der Anspruch auf Hilfsmittel zum unmittelbaren Behin­de­rungs­aus­gleich - wenn also das Hilfsmittel dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion diene - umfasse bei Prothesen grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchs­vorteile biete.

Wesentliche Vorteile im Vergleich zum C-Leg-System durch Sachver­stän­di­gen­gut­achten bestätigt

Aufgrund des im Gerichts­ver­fahren eingeholten Sachver­stän­di­gen­gut­achtens sei davon auszugehen, dass im Vergleich zum C-Leg-System das Genium-Kniegelenk dem Kläger wesentliche Vorteile insbesondere beim Übersteigen von Hindernissen, beim Stehen auf schrägem Untergrund sowie beim Treppensteigen und Rückwärtsgehen im Wechselschritt biete. Der 82-jährige Mann könne diese Gebrauchs­vorteile aufgrund seiner körperlichen und geistigen Voraussetzungen - die denen eines etwa 60-Jährigen entsprächen - auch nutzen. So erreiche er mit dem Genium-Kniegelenk den höchsten Mobilitätsgrad 4, während er mit der C-Leg-Versorgung in den Mobili­täts­graden 2 bis 3 verbleibe. Die Genium-Prothese stelle daher für den Kläger die einzige Möglichkeit dar, die aufgrund der Amputation des linken Unterschenkels bestehende Behinderung nahezu vollständig auszugleichen.

Erläuterungen
Hinweise zur Rechtslage

§ 33 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung (G) orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Kranken­be­handlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchs­ge­gen­stände des täglichen Lebens anzusehen (G) sind. (G)

§ 12 SGB V

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. (G)

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ ra-online

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