21.11.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss15.01.2009

Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main: Bau der neuen Landebahn steht nichts entgegenVoraussichtlich aber keine planmäßigen Flüge in der Kernnacht

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat durch zwei weitere Beschlüsse sämtliche, noch anhängige Eilanträge abgelehnt, die auf eine Aussetzung der Vollziehung des Plans für die Erweiterung des Flughafens Frankfurt Main gerichtet waren.

Durch Beschluss vom 18. Dezember 2007 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landes­ent­wicklung den Plan für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main festgestellt. Es ist vorgesehen, eine neue Landebahn nordwestlich des Flughafens zu errichten Außerdem soll ein drittes Terminal gebaut und das Fracht- und Wartungszentrum im Süden des Flughafens erweitert werden. Dafür werden Teile des Mark- und Gundwaldes und in erheblichem Umfang des Kelsterbacher Waldes beansprucht.

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat die noch anhängigen Eilanträge von Kommunen und von privaten Personen und Gesellschaften in zwei Verfahren zusammengefasst: in einem Verfahren werden die Anträge von insgesamt 13 Kommunen behandelt und in einem weiteren Verfahren die Anträge der privaten Eigentümer von Wohnraum oder gewerblichen Anlagen. Über das Eilrechts­schutz­be­gehren des BUND war bereits mit Beschluss vom 2. Januar 2009 abschlägig entschieden worden.

Die umfangreich begründeten Eilent­schei­dungen des Hessischen Verwal­tungs­ge­richthofs beruhen auf zwei Grundprinzipien:

Planfest­stel­lungs­be­schluss ist sofort vollziehbar

Zum einen weist das Gericht darauf hin, dass der Planfest­stel­lungs­be­schluss für den Ausbau des Flughafens kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei; das bedeute, dass keine besonderen Gründe für die Dringlichkeit der Maßnahme dargelegt und von dem Gericht geprüft werden müssten. Deshalb sei es auch nicht gerechtfertigt, die Ausführung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses im Hinblick auf die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise zu unterbinden. Das Verfahren sei zudem auch auf eine langjährige Entwicklung bis zum Progno­se­ho­rizont 2020 ausgelegt. Die Planung von Projekten dieser Größenordnung erfordere einen erheblichen Vorlauf und könne nicht von momentanen wirtschaft­lichen Ereignissen abhängig gemacht werden. Im Übrigen diene die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht nur der Beschleunigung des Zulas­sungs­ver­fahrens. Der Gesetzgeber verfolge damit ausdrücklich auch das Ziel, Inves­ti­ti­o­ns­hemmnisse abzubauen; diesem Aspekt komme gerade in der aktuellen wirtschaft­lichen Situation eine besondere Bedeutung zu.

Nicht jeder Planungsfehler führt zu einer Aufhebung des Ausbauplans

Zum anderen sei in den Eilverfahren zu beachten, dass nicht alle eventuellen Planungsfehler bei der endgültigen Entscheidung zu einer Aufhebung des Ausbauplans führten. Mängel, die im gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren oder in einem ergänzenden Planfest­stel­lungs­ver­fahren ausgeräumt werden könnten, stünden der Herstellung der Landebahn und der sonstigen baulichen Anlagen nicht entgegen. Sie rechtfertigten es damit auch nicht, den Ausbauplan zu suspendieren.

Nacht­flu­g­re­gelung muss rechtlich überprüft werden

Allerdings macht der 11. Senat des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs in den Gründen seiner Entscheidungen deutlich, dass die Nacht­flu­g­re­gelung in dem angefochtenen Planfest­stel­lungs­be­schluss einer rechtlichen Überprüfung voraussichtlich nicht standhalten werde. Die planfest­ge­stellte Betrie­bs­re­gelung erlaube durch­schnittlich 150 planmäßige Flugbewegungen in einer Nacht, von denen 17 auf die Kernzeit der Nacht von 23 bis 5 Uhr entfallen dürften. Nach derzeitiger Einschätzung des Gerichts trägt diese Regelung dem gesetzlich gebotenen Schutz der Nachtruhe nicht ausreichend Rechnung. Der Schutz der Bevölkerung vor nächtlichem Fluglärm werde in ausgeprägter Form im Luftver­kehrs­gesetz (LuftVG) vorgeschrieben. Über diese allgemeine Normierung hinaus sei die Planfest­stel­lungs­behörde im Falle des Flughafens Frankfurt Main aber auch durch den Grundsatz zum Nachtlärmschutz in dem 2007 geänderten Landes­ent­wick­lungsplan gebunden, betont das Gericht. In der Begründung zu dieser Landesplanung werde dem Verbot planmäßiger Flüge in der Nacht von 23 bis 5 Uhr als Ergebnis des Media­ti­o­ns­ver­fahrens ein so erhebliches Gewicht beigemessen, dass daraus eine Abwägungs­di­rektive folge, die der Planfest­stel­lungs­behörde kaum einen Spielraum für die Zulassung planmäßiger Flüge in der sogenannten Mediationsnacht lasse. Nur mit dieser Einschränkung könne eine weitere Steigerung der gewaltigen Lärmbelastung, der eine riesige Anzahl von Menschen in der Umgebung des Flughafens schon jetzt ausgesetzt sei, zugelassen werden. Als bedenklich stufen die Richter auch die Regelung für die Nachtrand­s­tunden (22 bis 23 und 5 bis 6 Uhr) ein, soweit die Zahl der zulässigen Flugbewegungen auf den Jahres­durch­schnitt bezogen sei. Dies ermögliche es, Flüge von der Winter­flug­plan­periode in die Hauptreisezeit zu verlegen, wodurch es zu einer besonders nachteiligen Bündelung von Flügen in einzelnen Nächten kommen könne. Derartige Planungsmängel führten aber nicht zu einer Aufhebung des Ausbauplans; sie könnten vielmehr im Wege der Planergänzung ausgeräumt werden und rechtfertigten es deshalb nicht, den Planfest­stel­lungs­be­schluss vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Lärmschutz­konzept begegnet keinen Bedenken

Im Übrigen hat das Gericht keine durchgreifenden Bedenken gegen das geplante Lärmschutz­konzept. Die Zumutbarkeit von Fluglärm im Einzelfall sei in dem 2007 in Kraft getretenen neuen Fluglärm­schutz­gesetz definiert. Aus der gesetzlichen Regelung ergäben sich auch Ansprüche auf baulichen Schallschutz und Entschä­di­gungs­leis­tungen im Falle einer Überschreitung der Zumut­ba­r­keits­grenze. In Fällen gesund­heits­ge­fähr­dender Lärmbelastungen habe die Planfest­stel­lungs­behörde den Betroffenen Ansprüche auf Übernahme der Grundstücke eingeräumt. Einzelheiten müssten auch insoweit einer Prüfung im Haupt­sa­che­ver­fahren vorbehalten bleiben.

Frankfurt Main soll als Luftver­kehr­s­s­tandort erhalten und gestärkt werden

Nach Auffassung des Senats hat die Planfest­stel­lungs­behörde den öffentlichen Interessen an der Erhaltung und Stärkung des Luftver­kehr­s­s­tan­dortes Frankfurt Main als bedeutendes Drehkreuz des internationalen Flugverkehrs und an der Förderung der regionalen Wirtschaftss­truktur ohne Abwägungsfehler den Vorrang vor den Lärmschutz- und sonstigen Belangen der Antragsteller eingeräumt. Sie habe die gegen das Projekt erhobenen Einwendungen in gebotenem Umfang ermittelt und zutreffend in die planerische Abwägung eingestellt. Die Entscheidung zugunsten der Erweiterung des Flughafens und die damit zwangsläufig verbundene Zurücksetzung der entge­gen­ste­henden Lärmschutz­belange falle in den Kernbereich der planerischen Gestal­tungs­freiheit und sei einer unein­ge­schränkten gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dem Gericht sei es verwehrt, eine politisch-planerische Entscheidung des Landes durch eine eigene Ermes­sens­be­tä­tigung zu ersetzen.

Vogelschlag

Weiter wird in den Entschei­dungs­gründen ausgeführt, auch unter dem Aspekt des Vogelschlags werde der Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 18. Dezember 2007 voraussichtlich nicht aufzuheben sein. Bei Landeanflügen bei Ostwind, also aus westlicher Richtung, würden die Flugzeuge auf dem Weg zur neuen Landebahn den Main zwar in einer Höhe überqueren, die ein erhöhtes Vogel­flug­ge­schehen erwarten lasse. Dieser Problematik habe die Planfest­stel­lungs­behörde aber durch Anordnung eines Überwachungs- und Vorwarnsystems Rechnung getragen. Dieses Konzept ist nach der Auffassung des Gerichts geeignet, das Risiko eines Vogelschlags auf das sonst übliche und gesell­schaftlich akzeptierte Maß zu reduzieren.

Risiko eines Flugzeu­g­ab­sturzes

Auch das allgemeine Risiko eines Flugzeu­g­ab­sturzes oder gar eines Störfalls bewege sich im Rahmen allgemeiner Akzeptanz. Bezüglich der Luftschadstoffe würden die normativen Grenzwerte weitgehend eingehalten; im Übrigen verweise die Planfest­stel­lungs­behörde zu Recht auf die Luftrein­hal­te­planung. Die Belange der Luftreinhaltung stünden der Ausführung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eventuelle Mängel könnten auch in diesem Zusammenhang im Wege einer Planergänzung ausgeräumt werden, wie der Verwal­tungs­ge­richtshof auch insoweit nochmals betont.

Einschränkungen bei der kommunalen Planungshoheit

Schließlich habe die Planfest­stel­lungs­behörde dem öffentlichen Interesse an der Realisierung der Flugha­fe­n­er­wei­terung ohne Verstoß gegen das Abwägungsgebot den Vorrang auch vor den Belangen der betroffenen Kommunen eingeräumt. Das gelte nicht nur für die beanspruchten Flächen, sondern auch für Einschränkungen der kommunalen Planungshoheit. Allerdings wird der Verwal­tungs­ge­richtshof in den Haupt­sa­che­ver­fahren im Einzelnen überprüfen, ob mit der Ausweisung von Verkaufsflächen im geplanten Terminal 3 - im Zusammenhang mit der sonstigen wirtschaft­lichen Betätigung der Fraport - unter dem Aspekt eines Eingriffs in den Einzelhandel eine unzulässige Beein­träch­tigung kommunaler Belange verbunden ist.

Mit diesen Beschlüssen sind die Eilverfahren zum Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main insgesamt abgeschlossen, nachdem der Eilantrag des BUND bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt worden ist.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

In den Haupt­sa­che­ver­fahren wird das Gericht Musterverfahren auswählen und im Juni dieses Jahres mündlich verhandeln. Die übrigen Haupt­sa­che­ver­fahren sollen bis zum rechtskräftigen Abschluss der ausgewählten Musterverfahren ausgesetzt werden.

Aktenzeichen der einzelnen Verfahren

Hess. VGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 in den Verfahren der Kommunen Stadt Kelsterbach, Stadt Offenbach am Main, Stadt Mörfelden-Walldorf, Stadt Neu-Isenburg, Stadt Rüsselsheim, Gemeinde Bischofsheim, Flörsheim, Kreis Groß-Gerau, Gemeinde Erzhausen, Stadt Griesheim, Gemeinde Groß-Zimmern, Gemeinde Roßdorf, Stadt Weiterstadt Aktenzeichen: 11 B 254/08.T, 11 B 283/08.T, 11 B 313/08.T, 11 B 352/08.T, 11 B 357/08.T, 11 B 361/08.T, 11 B 366/08.T und 11 B 367/08.T

Hess. VGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 in den Verfahren privater Personen und Gesellschaften Aktenzeichen: 11 B 2754/07.T, 11 B 344/08.T, 11 B 353/08.T, 11 B 358/08.T, 11 B 360/08.T, 11 B 364/08.T, 11 B 478/08.T, 11 B 491/08.T, 11 B 501/08.T, 11 B 2266/08.T und 11 B 2269/08.T

Hess. VGH, Beschluss vom 2. Januar 2009 in dem Verfahren des BUND Aktenzeichen: 11 B 368/08.T

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 3/2009 des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs

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