18.10.2024
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Gericht der Europäischen Union Urteil12.05.2015

Schriftwechsel zwischen Europäischer Kommission und nationaler Wettbe­wer­bs­behörde muss nicht öffentlich zugänglich seinOffenlegung von Unterlagen könnte geschäftliche Interessen der betroffenen Unternehmen beeinträchtigen

Das Gericht der Europäischen Union hat entschieden, dass der Schriftwechsel zwischen der Kommission und einer nationalen Wettbe­wer­bs­behörde im Rahmen eines Verfahrens wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln grundsätzlich nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss. Die Offenlegung dieser Unterlagen könnte nämlich die geschäftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen und den Zweck von Untersuchungs­tätig­keiten beeinträchtigen.

Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger. Die Grundsätze und die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts sind in einer EU-Verordnung* festgelegt. Die Verordnung sieht mehrere Ausnahmen von diesem Recht vor, u. a. zum Schutz geschäftlicher Interessen und zum Schutz von Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten.

Berufsverband erbittet Einsicht in Unterlagen zur Verhinderung von Wettbe­wer­bs­ab­sprachen

Die Unión de Almacenistas de Hierros de España (UAHE), ein Berufsverband, ersuchte die Kommission, ihr Zugang zum gesamten zwischen der Kommission und der Comisión Nacional de la Competencia (CNC) (spanische Wettbe­wer­bs­behörde) geführten Schriftverkehr betreffend zwei von der CNC in Spanien eingeleitete Verfahren zu gewähren. Der Zweck dieser Verfahren bestand darin, hinreichende Informationen und Beweise zur Bekämpfung abgestimmter Verhal­tens­weisen zu sammeln, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts verfälschen könnten.

Kommission befürchtet Beein­träch­ti­gungen im Hinblick auf den Zweck der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten durch Offenlegung der Dokumente

Zu einigen der angeforderten Dokumenten gewährte die Kommission Zugang, nicht jedoch zu den Beschlus­sent­würfen der CNC betreffend die beiden fraglichen inner­staat­lichen Verfahren und den von der CNC erstellten englisch­spra­chigen Zusam­men­fas­sungen dieser beiden Sachen. Die Kommission stützte ihre Weigerung im Wesentlichen darauf, dass eine allgemeine Vermutung bestehe, nach der die Offenlegung von Dokumenten wie den im vorliegenden Fall angeforderten den Schutz der geschäftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen und des Zwecks der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten beeinträchtigen würde. Nach Ansicht der Kommission kann diese Vermutung, die insbesondere im Bereich der Kontrolle von Unter­neh­mens­zu­sam­men­sch­lüssen gilt, analog auf Dokumente angewandt werden, die ihr von einer nationalen Wettbe­wer­bs­behörde im Rahmen eines Verfahrens wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln übermittelt wurden.

EuG: Kommission muss Dokumente der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten nicht offenlegen

Die UAHE hat die Entscheidung der Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union angefochten und begehrt ihre Nichti­g­er­klärung. Das Gericht wies die von der UAHE erhobene Klage jedoch ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Kommission in ihrer Entscheidung den Antrag der UAHE auf Zugang nicht konkret und individuell geprüft hat. Sie hat allerdings ihre Weigerung, Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, auf das Bestehen der oben genannten allgemeinen Vermutung gestützt. Das Gericht bestätigt, dass es eine allgemeine Vermutung gibt, wonach die Offenlegung von Dokumenten, die eine nationale Wettbe­wer­bs­behörde im Rahmen eines Verfahrens wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln übermittelt hat, grundsätzlich sowohl den Schutz der geschäftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen als auch den damit eng zusam­men­hän­genden Schutz des Zwecks der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten der nationalen Wettbe­wer­bs­behörde beeinträchtigt.

Zugang der Öffentlichkeit zu sensiblen Informationen könnte Unternehmen auch noch nach bereits abgeschlossenen Verfahren schaden

Hinsichtlich des Vorbringens der UAHE, wonach die von der CNC durchgeführten inner­staat­lichen Verfahren endgültig abgeschlossen seien, weist das Gericht, anknüpfend an die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Kontrolle von Unter­neh­mens­zu­sam­men­sch­lüssen und Kartellen**, darauf hin, dass die Vermutung unabhängig davon gilt, ob der Zugangsantrag ein bereits abgeschlossenes Kontroll­ver­fahren oder ein noch laufendes Verfahren betrifft. Der Zugang der Öffentlichkeit zu sensiblen Informationen über die wirtschaft­lichen Tätigkeiten der betroffenen Unternehmen könnte nämlich, auch wenn er gewährt würde, nachdem das Verfahren endgültig abgeschlossen ist, den geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen und ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit abträglich sein. Außerdem können nach der Verordnung die Ausnahmen in Bezug auf geschäftliche Interessen oder sensible Dokumente für einen Zeitraum von 30 Jahren angewandt werden oder, falls erforderlich, sogar darüber hinaus.

Schutz vertraulicher Informationen endet nicht nach endgültigem Abschluss der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten

Ferner weist das Gericht darauf hin, dass das ordnungsgemäße Funktionieren des Mechanismus für den Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch, der im Behör­den­netzwerk eingerichtet wurde, um für die Einhaltung der Wettbe­wer­bs­regeln der Union zu sorgen, impliziert, dass die ausgetauschten Informationen vertraulich bleiben. Zudem sieht die Verordnung nicht vor, dass dieser Schutz nach dem endgültigen Abschluss der Unter­su­chung­s­tä­tig­keiten, in deren Rahmen diese Informationen gesammelt wurden, enden muss.

Etwaige Schaden­s­er­satz­ansprüche betreffen Untersuchungen der nationalen Wettbe­wer­bs­behörde und nicht die der Kommission

Eine Begrenzung des Zeitraums, in dem die Vermutung gilt, kann im vorliegenden Fall nicht damit begründet werden, dass der Ersatzanspruch der durch einen Verstoß gegen das Wettbe­wer­bsrecht geschädigten Personen zu berücksichtigen sei. Die fraglichen Dokumente (der von der nationalen Wettbe­wer­bs­behörde beabsichtigte Beschluss und die Zusammenfassung der Sache) betreffen nämlich nicht eine Untersuchung der Kommission, sondern eine von einer nationalen Wettbe­wer­bs­behörde durchgeführte Untersuchung. Deshalb sind die zur Stützung einer etwaigen Schaden­s­er­satzklage erforderlichen Beweise gegebenenfalls in der Unter­su­chungsakte dieser nationalen Behörde zu finden.

Erläuterungen
* Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43).

** vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob (Rechtssache C-404/10 P, Presse­mit­teilung Nr. 92/12), sowie Urteile des Gerichts vom 13. September 2013, Niederlande/Kommission (Rechtssache T-380/08), und vom 7. Oktober 2014, Schenker/Kommission (Rechtssache T-534/11).

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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