18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.
ergänzende Informationen

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil23.01.2014

In der Praxis des Ehemanns arbeitende Zahnarztfrau ist nicht gewerblich tätigEhefrau erzielt ihrem Aufgabenbereich nach Einkünfte aus nicht­selb­ständiger Arbeit

Eine Zahnarztfrau, die in der Praxis ihres Ehemannes für die Praxis­ver­waltung und -organisation, den Schriftverkehr, die Perso­na­l­ver­waltung und Abrechnung zuständig ist, erzielt Einkünfte aus nicht­selb­ständiger Arbeit und keine (gewerbe­steuer­pflichtigen) Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist gelernte Arzthelferin, ihr Ehemann ist Zahnarzt. Im Jahr 2006 führte sie ein so genanntes Status­fest­stel­lungs­ver­fahren bei ihrer Kranken­ver­si­cherung durch. Die Kranken­ver­si­cherung kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Zahnarztpraxis ihres Ehemannes nicht als abhängiges, sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtiges Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis zu werten sei und befreite die Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1997 von der Sozialversicherungspflicht. Infolgedessen erstattete die Deutsche Renten­ver­si­cherung die zu Unrecht erhobenen Arbeitgeber- und Arbeit­neh­mer­beiträge zur Renten­ver­si­cherung von jeweils 42.278,14 Euro an die Klägerin.

Finanzamt behandelt von der Klägerin erklärte Einnahmen aus nicht­selb­ständiger Tätigkeit als gewerbliche Einnahmen

Das Finanzamt führte sodann eine Betriebsprüfung durch. Nach Auffassung des Finanzamtes war das Arbeits­ver­hältnis der Klägerin mit ihrem Ehemann auch steuerlich nicht anzuerkennen. Es behandelte die von der Klägerin erklärten Einnahmen aus nicht­selb­ständiger Tätigkeit als gewerbliche Einnahmen und erließ für die Streitjahre (2007 und 2008) entsprechende Bescheide über den Gewer­be­steu­er­mess­betrag.

Nach erfolglosem Einspruchs­ver­fahren erhob die Klägerin Klage und machte geltend, dass die Kriterien des Sozialrechts nicht mit denen des Steuerrechts vergleichbar seien.

Finanzgericht muss für und gegen ein Dienst­ver­hältnis sprechende Merkmale gegeneinander abwägen

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in der Praxis ihres Ehemannes als Arbeitnehmerin und nicht als Gewer­be­treibende tätig war und dass sie deshalb keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus nicht­selb­ständiger Arbeit erzielt hat. Der steuerliche Arbeit­neh­mer­begriff – so das Finanzgericht – sei eigenständiger Natur und nach den für das Steuerrecht maßgebenden Grundsätzen auszulegen. Er decke sich nicht immer mit dem in anderen Rechtsgebieten verwendeten Arbeit­neh­mer­begriff. Deshalb habe die sozial- und arbeits­rechtliche Einordnung für die steuer­rechtliche Beurteilung, ob eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit vorliege, keine Bindungswirkung. Entscheidungen des Sozia­l­ver­si­che­rungs­trägers entfalteten nur insofern Bindungswirkung, als sie ein eigenes Prüfungsrecht der Finanz­ver­waltung bzw. der Finanz­ge­richts­barkeit ausschließen würden. Letzteres sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Das Finanzgericht habe daher die für und gegen ein Dienst­ver­hältnis sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen. Eine selbständige Tätigkeit liege vor, wenn sie auf eigene Rechnung, eigene Gefahr und unter eigener Verantwortung verrichtet werde. Für eine Arbeit­neh­me­rei­gen­schaft sprächen demgegenüber insbesondere folgende Merkmale: Persönliche Abhängigkeit, Weisungs­ge­bun­denheit, feste Arbeitszeiten, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Unselb­stän­digkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, kein Unter­neh­mer­risiko, keine Unter­neh­me­r­i­n­i­tiative, kein Kapitaleinsatz, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs.

Klägerin ist ihrem Tätig­keits­bereich nach als Arbeitnehmerin anzusehen

Vor diesem Hintergrund sei die Klägerin als Arbeitnehmerin anzusehen. Ihre vertraglichen Hauptpflichten seien klar und eindeutig im schriftlichen Arbeitsvertrag festgelegt und auch entsprechend durchgeführt worden. Für ihre Tätigkeit habe sie einen festen Monatslohn bezogen und ihr stehe auch nicht unbegrenzt Urlaub zu, den sie nach Belieben wählen könne. Sie nehme - wie die übrigen Angestellten auch - immer dann Urlaub, wenn die Praxis geschlossen oder dies mit den anderen Mitar­bei­te­rinnen abgestimmt sei. Die Klägerin habe auch ausweislich der vorgelegten Zeiter­fas­sungspläne ihre monatlich vereinbarte Arbeitszeit erfüllt. Dass ihr ggf. ein größerer zeitlicher Spielraum als den übrigen Arzthelferinnen zur Verfügung gestanden habe und sie teilweise auch abends gearbeitet habe, sei unschädlich. Die Klägerin habe auch weisungs­ge­bunden gearbeitet. Zwar zeichne sich ihre Tätigkeit bereits aufgrund der ihr zugewiesenen Führungs­aufgaben durch ein selbständiges Arbeiten und Entscheiden aus. Sie habe jedoch anhand von Beispielen veranschaulicht, dass ihre Tätigkeiten (wie z.B. die Abrechnungen) von ihrem Ehemann als Arbeitgeber kontrolliert worden und mit seinen Zielen abzustimmen gewesen seien.

Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil17862

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI