Dokument-Nr. 10251
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Finanzgericht Köln Urteil07.07.2010
FG Köln weist Klagen gegen Steueridentifikationsnummer trotz verfassungsrechtlicher Zweifel abRecht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt nicht Interesse der Allgemeinheit an gleichmäßiger Besteuerung
In Bezug auf die Vergabe der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) überwiegt das Recht des einzelnen Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung nicht das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Besteuerung. Dies entschied das Finanzgericht Köln, obwohl es erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuer-ID äußerte. Diese Zweifel führten aber nicht zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, weil eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nur möglich ist, wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm völlig überzeugt ist.
Hinter den zugrunde liegenden Musterverfahren stehen über 170 Klagen von Bürgern, die sich vor dem in Deutschland allein zuständigen Finanzgericht Köln auf die Verfassungswidrigkeit der Vergabe der Steuer-ID berufen. Nach Auffassung der Kläger bereite die bundeseinheitliche Steuer-ID den Weg zum "gläsernen Bürger". Dies zeige sich auch daran, dass selbst Babys unmittelbar nach der Geburt mit Post vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Steuer-ID erhalten. Außerdem wird die "Nummerierung" der Menschen als "Personenkennzeichen" aus religiösen Gründen abgelehnt.
Gericht sieht in Speicherung eines zentralen Datenbestands Gefahr der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen
Seine verfassungsrechtlichen Zweifel stützt das Finanzgericht Köln u.a. darauf, dass durch die Steuer-ID letztlich alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bürger zentral durch den Staat erfasst würden. Damit bestehe die Möglichkeit, durch entsprechende Erweiterungen der zu speichernden Daten bzw. durch die Vernetzung verschiedener Datenpools einen großen zentralen Datenbestand zu schaffen. Hieraus könnte sich künftig auch die Gefahr der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ergeben. Auch sei es fraglich, ob es zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung tatsächlich erforderlich sei, die Steuer-ID "flächendeckend" zuzuteilen und "flächendeckend" Daten zu speichern, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen schon einen Besteuerungstatbestand erfüllt hätten. Diesbezüglich komme es in gewisser Weise zu einer "Vorratsdatenspeicherung".
Keine Verletzung der Religionsfreiheit
Soweit einzelne Kläger auch die Verletzung der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG geltend gemacht haben (z.B. im Verfahren 2 K 3093/08, 2 K 3986/08), besteht nach Auffassung des Gerichts schon kein Eingriff in den Schutzbereich. Die Steuer-ID stelle lediglich ein behördeninternes Ordnungsmerkmal dar. Den Klägern werde nicht ihr christlicher Name abgesprochen. Er bleibe erhalten und werde auch wie bisher verwendet.
Hintergrund zur Vergabe der Steuer-ID
Die Steuer-ID wird seit dem 1. August 2008 vom BZSt in Bonn an alle Einwohner versandt (§ 139 b AO). Deutschland folgt damit dem Beispiel vieler Nachbarn in der Europäischen Union. Die Einführung der Steuer-ID soll das Besteuerungsverfahren vereinfachen und Bürokratie abbauen. Hierzu erhält das zuständige BZSt von allen Meldebehörden elektronisch die im Melderegister gespeicherten Daten. Daneben werden u.a. lohnsteuererhebliche Daten, wie z.B. Religionszugehörigkeit, Krankenversicherungsbeiträge, Zahl der Lohnsteuerkarten und Kinder mit ihren Steuer-ID gespeichert (§ 39 e EStG). Die Steuer-ID hat elf Ziffern, aus denen keine Rückschlüsse auf den Steuerpflichtigen gezogen werden können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.09.2010
Quelle: Finanzgericht Köln/ra-online
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