18.10.2024
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Niedersächsisches Finanzgericht Urteil05.05.2010

Künstliche Befruchtung als außer­ge­wöhnliche Belastungen abzugsfähigGericht hält Gleich­be­handlung mit künstlicher Befruchtung bei Frauen wegen Unfruchtbarkeit für verfas­sungs­rechtlich zulässig

Wird bei einer Ehefrau wegen einer inoperablen Sterilität des Ehemannes eine künstliche Befruchtung mit Fremdsamen vorgenommen, sind die Aufwendungen steuermindernd als außer­ge­wöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkom­men­steu­er­gesetz (EStG) anzuerkennen. Dies entschied das Nieder­säch­sische Finanzgericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall leidet der Kläger unter einer inoperablen organisch bedingten Sterilität. Er ist aufgrund dieses Befundes nicht in der Lage, auf natürlichem Weg selber Kinder zu zeugen. Sein Sperma ist auch nicht geeignet, im Rahmen einer (homologen) künstlichen Befruchtung selbst nach ärztlicher Behandlung eingesetzt zu werden. Aufgrund dessen entschlossen sich die Kläger, die Erfüllung des beiderseitigen Wunsches nach einem gemeinsamen Kind mit Hilfe der Übertragung von Spendersamen zu verwirklichen.

Finanzamt sieht in künstlicher Befruchtung der gesunden Ehefrau keine (zwangsläufige) Heilbehandlung

Die hierfür entstandenen Aufwendungen (Medikamenten- und Fahrtkosten) erkannte das beklagte Finanzamt nicht als außer­ge­wöhnliche Belastungen an und verwies auf die hierzu ergangene, ablehnende höchst­rich­terliche Rechtsprechung. Danach stellt die künstliche Befruchtung der Eizellen der gesunden Ehefrau mit Fremdsamen keine (zwangsläufige) Heilbehandlung dar, da der kranke Ehemann nicht behandelt wird und die behandelte Frau gesund ist. Die Kinderlosigkeit als Folge der Sterilität stelle dagegen für sich keine Krankheit dar.

Nieder­säch­sisches Finanzgericht tritt bisheriger Rechtsprechung entgegen

Dieser Rechts­auf­fassung, die in der steuer­recht­lichen Literatur einhellig geteilt wird, ist nunmehr - soweit ersichtlich - als erstes Finanzgericht das Nieder­säch­sische Finanzgericht entge­gen­ge­treten.

Heilbe­hand­lungs­kosten sind aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden und damit steuermindernd zu berücksichtigen

Nach Überzeugung des Gerichts ist die - nach erfolglos versuchter homologer Befruchtung - durchgeführte so genannte heterologe Insemination, d.h. Befruchtung von Eizellen der Klägerin mit dem Sperma eines fremden Mannes, Teil einer auf das spezielle Krankheitsbild des Klägers abgestimmten, medizinisch indizierten und ärztlich zulässigen, d.h. in Übereinstimmung mit der einschlägigen ärztlichen Berufsordnung stehenden einheitlichen Heil- bzw. Thera­pie­maßnahme, die mit dem Ziel durchgeführt wird, die Krank­heits­folgen - die ungewollte Kinderlosigkeit der Kläger - abzumildern. Danach sind die insoweit entstandenen Heilbe­hand­lungs­kosten den Klägern aus tatsächlichen Gründen auch zwangsläufig entstanden und damit steuermindernd zu berücksichtigen. Das Nieder­säch­sische Finanzgericht hält insofern eine Gleich­be­handlung mit den - als außer­ge­wöhnliche Belastungen anerkannten - Fallgruppen der künstlichen Befruchtung bei Unfruchtbarkeit verheirateter und unverheirateter Frauen sowie eingeschränkter Zeugungs­fä­higkeit des Ehemannes auch verfas­sungs­rechtlich unter Leistungs­fä­hig­keits­ge­sichts­punkten für geboten.

Quelle: ra-online, Niedersächsisches Finanzgericht

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