21.11.2024
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Finanzgericht Hamburg Urteil17.05.2022

Zimmer­ver­mietung in "Steigen" im Sperrbezirk auf St. Pauli umsatz­steuer­pflichtigNutzungs­über­lassung mit bordellartigen Charakter nicht umsatz­steu­erfrei

Das Finanzgericht Hamburg hat darüber entschieden, ob die Überlassung von Zimmern in sog. Steigen im Sperrgebiet auf St. Pauli als umsatz­steu­erfreie Vermietung zu qualifizieren ist, oder ob mit der Zimmer­über­lassung ein Bündel von Leistungen erbracht wird, das der Zimmer­über­lassung den Charakter eines Mietver­hält­nisses nimmt.

Der Kläger war Mieter von zwei Immobilien auf St. Pauli, die im Gebiet der Sperrverordnung liegen, d.h. Prostitution ist in der Zeit von 20.00 h bis 6.00 h erlaubt, ein weiteres Objekt hatte er in der H-Straße angemietet, in der keine Beschränkungen für die Prostitution gelten. Die einzelnen Zimmer der sog. Steigen überließ er zu einer „Tagesmiete“ an Prostituierte, die in den Zimmern sexuelle Dienst­leis­tungen erbrachten. Der Kläger hatte in der Vergangenheit aus der Nutzungs­über­lassung umsatz­steu­er­pflichtige Erlöse erklärt. Nachdem der Bundesfinanzhof am 24. September 2015 ein Urteil des FG Hamburg aufgehoben und auch die halbstündige Überlassung von Zimmern in einem sog. Stundenhotel als umsatz­steu­erfreie Vermietung angesehen hatte, berief sich der Kläger im Streitjahr 2016 auf die Umsatz­steu­er­freiheit seiner Vermie­tungs­leis­tungen.

FG: Zimmer­über­lassung mit „rund-um-sorglos-Paket“ umsatz­steu­er­pflichtig

Dem folgte das Finanzamt zunächst für einige Voraus­zah­lungs­monate, blieb aber mit der Einspruch­s­ent­scheidung über den Umsatz­steu­er­jah­res­be­scheid dabei, dass neben der Zimmer­über­lassung ein „rund-um-sorglos-Paket“ für die Prostituierten erbracht werde, das die Grenzen passiver Vermie­tungs­leis­tungen überschreite. Dem ist der Senat nach Durchführung einer Beweisaufnahme gefolgt. Neben der Überlassung der Zimmer würden in allen Steigen auf Veranlassung des Klägers Wirtschafter oder im Fall der H-Straße Wirtschaf­te­rinnen tätig sein, die die Prostituierten betreuten und für ihre Sicherheit sorgten. Zudem erhielten die Prostituierten durch die Anmietung der Steigen-Zimmer die tatsächliche Möglichkeit, auf bestimmten öffentlichen Plätzen, die quasi „gewohn­heits­rechtlich“ einzelnen Steigen zugewiesen seien, Freier zu akquirieren unter Ausschluss „steigenfremder“ Prostituierter, während sie in der H-Straße für die Akquise einen sog. Kober mit Schaufenstern nutzen könnten. Zusätzlich würden weitere Leistungen wie die Bereitstellung einer Alarmanlage und Video­über­wachung sowie Catering erbracht.

Grenze einer passiven Vermie­tungs­leistung überschritten

Mit diesem Bündel von Leistungen sei, so das Gericht, die Grenze einer passiven Vermie­tungs­leistung überschritten, die Nutzungs­über­lassung habe eher bordellartigen Charakter erlangt. Damit ist vorerst eine Streitfrage entschieden, die bereits in den Fokus des Rechnungshofes geraten war (Jahresbericht des Rechnungshofes 2022, Besteuerung des Rotlicht­ge­werbes in Hamburg). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: Finanzgericht Hamburg, ra-online (pm/ab)

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